Die Märchen der Gebrüder Grimm müssen als Begründung für die Freigabe von Gewalt-Videospielen für Minderjährige in den USA herhalten. Doch die Grenzen zwischen Konsumenten und Handelnden verschwimmen.
Es war ein grausames Ende der alten Frau. Überlistet von zwei Minderjährigen starb sie einen qualvollen Tod in einem Backofen. Stellen wir uns das Märchen von Hänsel und Gretel doch einmal als Videospiel vor. Da werden Strategien entwickelt, wie man einmal in die Falle geraten, da auch wieder heraus kommt. Es gibt vielleicht Bonuspunkte für jeden Zug, der das eigene Leben verlängert und als Highlight stirbt die alte Hexe eben – vielleicht. Der Unterschied zu altbackenen Märchen – dort siegt am Ende immer das Gute, bei den Videospielen hat das Böse eine echte Chance.
Das Böse ist immer und überall. Da kann man nichts machen. Das war schon immer so. Märchentanten werden jetzt aufschreien über die Interpretation einer US-Richterin, die ausgerechnet die Geschichten der Gebrüder Grimm als Argument dafür heranzieht, dass Gewalt-Videospiele auch an Minderjährige verkauft werden dürfen. Begründung: ein Verbot würde dem Recht auf Meinungsfreiheit widersprechen. Und das ausgerechnet in einem Land, in dem es in den letzten Jahren einige Amokläufe von Jugendlichen in Schulen gegeben hat. Aber die Täter haben nicht selten davon profitiert, dass Papa ein ganzes Waffenarsenal im Keller hatte – noch ein Symbol bürgerlicher Freiheiten. Und das hat – zugegeben – nicht viel mit Videospielen zu tun.
Freunde und Verteidiger des drastischen Videospiels verweisen gern auf die Überflutung durch Gewaltdarstellungen in Horror-Filmen und – auch gern genannt – in kruden Texten von selbsternannten Brachial-Rappern. Ob im Märchen oder im Film – der Zuhörer bzw. Zuschauer ist der Konsument, der die Darbietung verarbeiten muss. Bei Videospielen ist er der Handelnde, ein wesentlicher Unterschied, den die Richterin in den USA so nicht herstellt. Videospiele lassen meist keine gewaltfreien Lösungswege zu – die Wahl heißt dann: Töten, um zu leben. Und genau das ist etwas, was Minderjährigen nicht zugemutet werden darf.
Nun gut, die USA sind weit weg. Und damit die Jugendlichen dort nicht über die Strenge schlagen nach dem Genuss einer meinungsfreien Schießerei oder einem blutigen Attentat , gibt es ja immer noch die Todesstrafe – als Abschreckung ganz in echt. Und die trifft immer die Bösen – vielleicht.
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