New Anti-Terror Strategy: Obama Chooses the Small War

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Neue Anti-Terror-Strategie

Obama wählt den kleinen Krieg

Von Yassin Musharbash

Folter ist gebannt, und die aufgeblasenen Phrasen aus der Bush-Ära sind ebenso passé wie der globale Krieg gegen den Terrorismus: Barack Obamas neues Anti-Terror-Papier setzt fast nur noch auf die Jagd auf al-Qaida – und rüffelt die Europäer für ihre Lösegeldzahlungen an Entführer.

19 Seiten umfasst die ” National Strategy for Counterterrorism”, die Präsident Obamas Sicherheitsberater John O. Brennan in Washington vorstellte. Es ist eine Grundsatzerklärung über die Art und Weise, wie die US-Regierung die Bedrohung durch den Terrorismus einschätzt – und wie sie ihr begegnen will.

Zweieinhalb Jahre sind seit dem Amtsantritt von Barack Obama vergangen, fast zehn Jahre seit 9/11 – und mehr als fünf Jahre seit der Veröffentlichung der letzten Strategie, die noch sein Vorgänger George W. Bush verantwortet hatte. Es war also an der Zeit, dass das Weiße Haus seine diesbezüglichen Gedanken ausführlich darlegt. Außerdem liefert die Tötung Osama Bin Ladens einen vermutlich willkommenen Hintergrund, denn so lässt sich die Ausschaltung des Qaida-Chefs bereits in die Erfolgsbilanz einbeziehen, die in dem Papier natürlich nicht fehlen darf.

“Wir haben al-Qaida auf die Verliererstraße gebracht”, schreibt Obama denn auch stolz im Vorwort. “In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben wir in rascher Folge mehr Schlüsselpersonal von al-Qaida ausgeschaltet als zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem 11. September 2001.” Trotzdem, so der Präsident, gebe es weiterhin eine “bedeutsame Bedrohung” durch al-Qaida, ihre Filialen und kooperierenden Gruppen.

OBL-Tod “wichtigster strategischer Meilenstein”

Das Papier lässt keinen Zweifel daran, dass die Obama-Administration es für sinnvoll hält, den Fokus in der Terrorbekämpfung deutlich zu verengen. An die Stelle des globalen Kriegs gegen den Terrorismus setzt sie den Krieg gegen al-Qaida. “Wir befinden uns nicht im Krieg mit der Taktik des Terrorismus oder der Religion des Islam. Wie stehen im Krieg mit einer spezifischen Organisation – al-Qaida.”

Bin Ladens Tod sei der “wichtigste strategische Meilenstein” bisher. Aber die Strategie betont gleich mehrfach – und vorausschauend – dass selbst die komplette Ausschaltung der Qaida-Zentrale die Bedrohung nicht beenden würde. Längst hätten die Filialen des Terrornetzwerks oder kooperierende Organisationen anderswo auf der Welt ebenfalls Kapazitäten, den USA Schaden zuzufügen. Erstmals rückt auch die Bedrohung durch sogenannte “homegrown terrorists” in den USA selbst in den Vordergrund – die Administration hat bemerkt, wie sehr al-Qaida und Co. darauf drängen, dass junge Radikale in Eigeninitiative zuschlagen.

Vieles in dem Papier bleibt blumig und vage – etwa wenn die Rede davon ist, al-Qaidas Ideologie durch vorgelebte Werte zu unterminieren. Aber dafür fehlen aufgeblasene Begriffe wie “Schurkenstaaten”, die unter Bush junior eingeführt worden waren. Das Weiße Haus betont – ebenfalls in Abgrenzung zur Vorgänger-Regierung – zudem die unbedingte Gültigkeit rechtsstaatlicher Regeln und die Ablehnung von Folter. Alle Anti-Terror-Maßnahmen seien zudem auf eine solide Rechtsgrundlage gestellt worden. US-Menschenrechtler sehen das allerdings etwas anders – zum Beispiel was den Status der Gefangenen in Guantanamo angeht.

Kompromisse gegenüber Pakistan

Dann wieder ist das Dokument extrem pragmatisch – wenn etwa klargestellt wird, dass man auch mit Partnern zusammenarbeite, die “unsere Werte nicht teilen mögen” und nur wenige gemeinsame Interessen haben.

Mit Blick auf den Jemen ist sogar immer noch davon die Rede, die Sicherheitsbehörden des Landes zu unterstützen – obwohl Teile der US-geschulten Anti-Terror-Einheiten des autokratischen Präsidenten Ali Abdullah Salih zuletzt gegen Demonstranten eingesetzt worden sein sollen. Vermutlich sehen die Praktiker in der Administration schlicht keine bessere Alternative, um der schlagkräftigen Qaida-Filiale im Land beizukommen.

Pakistan kommt ausgesprochen gut weg in dem Dokument. “Wir werden al-Qaida nur durch eine nachhaltige Partnerschaft mit Pakistan besiegen”, heißt es. Angesichts der Tatsache, dass die Beziehungen zwischen Pakistan und den USA mal wieder auf einem Tiefstand sind und dass es glaubwürdige Belege dafür gibt, dass Teile des pakistanischen Geheimdienstes ISI gemeinsame Sache mit dschihadistischen Militanten machen, ist diese Aussage sehr mild und überraschend verbindlich.

Immer wieder angedeutet wird unterdessen, wie zentral die Drohnen der CIA sind, um al-Qaida zu schwächen. Obama hat den Einsatz der bewaffneten, unbemannten Flugkörper seit Amtsantritt massiv ausgeweitet, eine ganze Reihe mutmaßlicher Top-Terroristen wurde so getötet. Allerdings auch Zivilisten, wie Menschenrechtler betonen. Offen werden die Flugkörper nicht angesprochen – das Programm, von dem jeder weiß, ist offiziell geheim.

Europäer sollen Geiseln nicht freikaufen

Einen klaren Rüffel gibt es für die Europäer. “Mittels diplomatischer Initiativen werden wir Staaten – insbesondere europäische – weiter dazu anspornen, keine Zugeständnisse an Entführer zu machen.” Gemünzt ist diese Passage darauf, dass einige europäische Staaten, vor allem Frankreich, aber auch Deutschland, heimlich Lösegeld für entführte Bürger gezahlt haben. Laut dem US-Papier sind diese Gelder eine wichtige Einnahmequelle für al-Qaidas Filiale in Nordafrika.

Die Nationale Strategie zur Terrorbekämpfung ist kein singuläres Dokument – sie ist eher eine Ausgestaltung der Nationalen Sicherheitsstrategie , die Obama bereits vergangenes Jahr überarbeitet hat, und zwar für einen relativ engen, aber wichtigen Bereich.

So wenig Revolutionäres sie enthält, so wichtig ist sie dennoch: Sie steht für das endgültige Ende der Bush-Ära in der Terrorbekämpfung. Analytisch ist sie in fast allen Bereichen auf der Höhe. Politisch – siehe Jemen und Pakistan – macht sie erkennbar Kompromisse.

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