The Manufactured Crisis

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Die gewollte Krise

Von Andreas Geldner

12 | 7 | 2011

Aus ideologischen Gründen blockieren die Republikaner in den USA ein neues Schuldenlimit. Sie wollen partout an ihrer wahnhaften Steuerpolitik festhalten.

Die USA sind die Heimat des Pokerspiels. Doch was Republikaner und Demokraten zurzeit im Streit um die Finanzierung des Staatsdefizits vorführen, sucht auch in einem Land seinesgleichen, das politische Verhandlungen mit hohem Einsatz gewohnt ist. Am Wochenende sind sich US-Präsident Barack Obama und der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, erneut nicht darüber einig geworden, unter welchen Bedingungen die US-Bundesregierung über das bisherige Limit von 14,3 Billionen Dollar (mehr als zehn Billionen Euro) hinaus neue Schulden aufnehmen darf.

Seit Monaten machen die Republikaner ein radikales Sparprogramm zur Bedingung, bevor sie dem normalerweise routinemäßig bewilligten höheren Limit zustimmen. Ohne ihre Unterstützung im Repräsentantenhaus geht dem Staat das Geld aus. Das ist schon seit Mitte Mai der Fall. Die US-Regierung ist nur deshalb liquide, weil sie beispielsweise die Einzahlungen in einen Fonds für die Pensionen für Staatsangestellte eingefroren hat und mit Buchungstricks Geld umschichtet.

Doch am 2. August ist das ausgereizt. Wenn man den Vorlauf für die Abstimmung einbezieht, bleiben noch zehn Tage Zeit, um einen Kompromiss zu finden. Falls dies nicht gelingt, werden die Gläubiger der USA wohl weiter ihr Geld bekommen. Zins und Tilgung der Staatsschulden sind durch laufende Einnahmen gedeckt. Aber andere Zahlungen, etwa für die Sozialversicherung oder den Sold der Soldaten, könnten ganz oder teilweise eingestellt werden. Die Zinsen für US-Staatspapiere würden nach oben schnellen, das bisher makellose Schuldnerrating der USA wäre gefährdet.

Eigentlich ist das US-Schuldendilemma absurd. Selbst wenn man die Schulden des Bundes, der Bundesstaaten und der Kommunen zusammenfasst, liegen die USA nach Angaben des Internationalen Währungsfonds mit einer Quote von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deutlich unter Krisenländern wie Griechenland und Italien, die Schuldenberge angehäuft haben, die mehr als 140 Prozent beziehungsweise 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft entsprechen. Ein Indiz des Vertrauens in die Zahlungskraft der USA ist die Tatsache, dass die Zinsen für US-Schatzanweisungen mit etwa drei Prozent weiter auf einem historischen Tiefstand sind.

Dies ist eine rein politisch inszenierte Krise, die die Republikaner, angetrieben von der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung, vom Zaun gebrochen haben. Die größte Hürde für ein Sanierungspaket ist ihre radikale Ablehnung jeglicher Steuererhöhungen. Das sei Gift für die wacklige Konjunktur, lautet das Argument. Die Demokraten geißeln hingegen die soziale Schieflage eines Sparpakets, das nur Opfer von sozial Schwachen und der Mittelschicht verlangen würde, aber die Wohlhabenden verschont. Diese seien etwa unter dem republikanischen Präsident George W. Bush steuerlich entlastet worden und sollten nun einen Solidarbeitrag leisten.

Obama der bessere Pokerspieler

Zum Finale scheint Barack Obama der bessere Pokerspieler zu sein. Während den Republikanern bisher kein Sparpaket radikal genug war, will John Boehner es nun eine Nummer kleiner. Statt einem Sanierungsvolumen von vier Billionen Dollar, könne auch etwa die Hälfte reichen, sagte Boehner in der jüngsten Verhandlungsrunde. Den führenden Republikanern ist inzwischen klar, dass es den von ihnen versprochenen großen Wurf nicht ohne zusätzliche Staatseinnahmen geben wird. „Boehners hochfliegende Ziele fürs Budget stoßen sich an der Realpolitik“, schrieb die New York Times. Doch die Unterschrift unter einen Kompromiss, in dem nur die kleinste Abgabe erhöht wird, würde der republikanische Fraktionschef politisch kaum überleben.

Unter dem Druck der weit nach rechts gerückten republikanischen Basis übertreffen sich die potenziellen Präsidentschaftsbewerber der Partei in der Ankündigung, dass sie lieber eine vorübergehende Staatspleite in Kauf nehmen würden, als den heiligen Schwur „keine neuen Steuern“ zu brechen. Obama hat hingegen seine Demokraten so gut im Griff, dass er sich als Sparkommissar profilieren kann. Er hat schmerzliche Einschnitte in den Sozialprogrammen angeboten – aber nur um den Preis, dass die Opposition auch Steuererhöhungen zustimmt.

Den Republikanern bleiben drei unbequeme Alternativen. Sie können sich auf ein kleineres Sanierungspaket zurückziehen, weil das ohne höhere Steuern machbar ist. Oder sie halten ihr Versprechen einer radikalen Konsolidierung und brechen dafür ein anderes, indem sie Obama zumindest Subventionen abbauen und Steuerschlupflöcher stopfen lassen. Variante drei wäre, an allen Fronten hart zu bleiben – und dann als diejenigen dazustehen, welche neue Turbulenzen an den Finanzmärkten in Kauf nehmen. Die Wall Street jedenfalls glaubt nicht daran, dass die Republikaner die Zahlungsunfähigkeit der USA in Kauf nehmen. Nach den Verhandlungen vom Wochenende geriet nicht der Dollar unter Druck, sondern der von ganz anderen, realen Problem gebeutelte Euro.

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