Die Selbstverstümmlung der Führungsmacht
Uwe Schmitt
15.07.2011
Wer gibt nach, bevor ein Pleite-Amerika die Finanzmärkte in eine Katastrophe reißt? Die Republikaner haben im Haushaltsstreit nur ein Ziel.
Wäre Ronald Reagan Präsident, die Tea-Party-Partisanen der Republikaner müssten ihn in Schande aus dem Amt jagen: Elf Mal in acht Jahren erhöhte Reagan Amerikas Steuern. Wie er glaubte, zum Wohle des Landes. Damals wurde er noch nicht wie ein Heiliger verehrt.
Reagan versündigte sich an Prinzipien, die 30 Jahre später in seinem Namen für unantastbar gelten: Keinen Cent höhere Steuern wollen die republikanischen Verhandlungsführer über die Abwendung des Staatsinfarkts dulden. Präsident Obama, der weit mehr Kürzungen an Sozialprogrammen zugestanden hat, als seine Demokraten zu ertragen meinen, kann aber nicht mehr mit sich handeln lassen. Wer gibt nach, bevor ein insolventes Amerika die Finanzmärkte in eine Katastrophe reißt?
Abwahl Obamas als Hauptziel
Man ist auch bei näherem Hinsehen unsicher, ob Zynismus oder Blindheit für eine veränderte, weniger amerikahörige Welt die Republikaner treibt. Selbst Barack Obama, der sich (zu) lange aus dem drei Monate währenden Poker heraushielt, glaubte wohl nicht, wie ernst es seinen Gegnern sein würde. Ihr Ziel ist nicht wirklich die Sanierung des Haushalts; es gibt keine seriösen Ökonomen, die behaupten, die USA kämen ohne Steuererhöhungen aus.
Das Hauptziel ist, wie Republikaner stolz zugeben, die Wiederwahl Barack Obamas zu verhindern. Er soll ein Jimmy Carter werden, ein verachteter, gescheiterter Präsident, keinesfalls ein Bill Clinton, ein verachteter, erfolgreicher Präsident, der Amerika einen gewaltigen Haushaltsüberschuss hinterließ.
Dafür nehmen die Republikaner, in der Taktik durchaus untereinander zerstritten, in Kauf, was wie eine Selbstverstümmlung der Führungsmacht wirken muss. Im Krieg gilt mutwillige Verwundung seiner selbst als Desertion, im Frieden als Zeichen des Wahnsinns. In der internationalen Politik muss sie jeden Freund Amerikas tief besorgen.
Erwachsene Verhandlungen
Barack Obama ließ seinen Sprecher beschwichtigen, die Verhandlungen würden von „Erwachsenen“ geführt. Den Beweis sind die Parteien, zumal die Republikaner, noch schuldig. Es muss Obama allerdings daran liegen, eine für beide Seiten gesichtwahrende Lösung zu finden. Nur so kann er den moderaten Kräften bei den Republikanern, die von der Wutbürgerinitiative der Tea Party in Haft gekidnappt wurden, bei ihrem Entfesslungsakt helfen. Der wird nötig sein, um sich selbst aus der Falle zu helfen.
Nirgendwo steht in biblische Gesetzestafeln geschlagen, dass die USA ihr AAA-Rating verdienen. Niemand will auf Dauer Gläubiger eines säumigen Zahlers sein. Nichts währt ewig. Lauter Banalitäten. Erwachsene, in den Vereinigten Staaten und anderswo, müssten sie eigentlich verstehen
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