America Sweeps Its Superpower Status under the Carpet

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Posted on July 25, 2011.

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USA geben Supermacht-Status hinterm Tellerrand ab

Von Ansgar Graw

21.07.2011

Gigantische Schulden, geringe Wettbewerbsfähigkeit und zerstrittene Parteien in den USA: Washingtons Elite kann die Probleme nicht mehr kleinreden.

Barack Obama sieht das Land in der “elften Stunde”: Wenn sich Demokraten und Republikaner nicht bis zum Wochenende auf eine Erhöhung der Schuldenobergrenze einigen, können die Vereinigten Staaten ab dem 2.August nicht mehr alle finanziellen Verpflichtungen erfüllen.

Zwischen beiden Parteien wird zwar gestritten, ob etwa die Rentner zu den ersten Opfern der drohenden Zahlungsunfähigkeit gehören müssen. Oder ob man zu Beginn des “Shutdown” nur Soldaten ihren Sold, zwangsbeurlaubten Regierungsbeamten das Gehalt, Schulen und Universitäten ihre Zuwendungen verweigern und die auswärtige Entwicklungshilfe, von Afghanistan über Pakistan bis Palästina, stoppen muss.

Aber dass Zahlungen in der Größenordnung sehr vieler Milliarden Dollar im Falle einer Nichteinigung eingefroren werden müssen, bezweifelt keine Seite. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA und Turbulenzen an den internationalen Börsen würden folgen.

Und das ist die unfassbar unaufgeregte Ausgangssituation der aktuellen Vorgänge: Unter der politischen Elite der letzten Noch-Supermacht herrscht kein Konsens, dass sie ihre Rechnungen auch künftig begleichen muss. Während Obama den Kompromiss sucht, ist anderen Kombattanten im Machtkampf um eine Erhöhung der bei 14,3 Billionen Dollar liegenden Schuldenobergrenze Prinzipienreiterei wichtiger.

Das gilt für Demokraten kaum weniger als für Republikaner. Ganz so, als hätten Washingtons Politiker mit dem Thema Supermacht insgeheim längst abgeschlossen, ducken sie sich hinter den bescheidenen Tellerrand ihrer ehrgeizigen Grundsätze.

Katalysator des wirtschaftlichen Niedergangs

Zu besichtigen ist die amerikanische Krise. Sie wird im Land der längst begrenzten Möglichkeiten aber nicht als solche wahrgenommen, sondern zum Problem der jeweils anderen Partei kleingeredet. Aus Sicht der Republikaner ist das “big government” des Präsidenten Ursache, zumindest aber Katalysator des wirtschaftlichen Niedergangs.

Die Demokraten machen mit ähnlichem Mut zur Vereinfachung die Wall Street für das Elend verantwortlich und nehmen die Republikaner in die Mithaftung, weil diese mit Banken und Bankern verbündet seien und die Steuerprivilegien auch der Besserverdienenden retten wollen.

Beide Vorwürfe greifen zu kurz. Zwar sind die Republikaner derzeit tatsächlich starr wie Beton. Sie geben der Ideologie des kompromisslosen Nein zu jeder Form höherer Steuereinnahmen den Vorrang vor gestaltender Politik. Immerhin haben sie recht mit dem zentralen Hinweis, dass nicht eine zu geringe Steuerlast, sondern zu hohe Staatsausgaben das Übel herbeiführten.

Die stiegen allerdings vor allem unter George W. Bush. Obamas Vorgänger verfügte trotz der teuren Kriege in Afghanistan und im Irak zudem überdimensionierte Steuerkürzungen. Der Republikaner gab sich wie Graf Koks im Edelrestaurant: “Herr Ober, bringen Sie mir das größte Steak und den besten Wein – und die Rechnung dem Herrn, der hier nach mir Platz nehmen wird.”

Wie Graf Koks im Edelrestaurant

Das Problem der aktuellen Republikaner ist, dass sie seit den Midterm-Wahlen Ende 2010 die Präsidentschaft Obamas nicht mehr anerkennen. Der Gewinn der Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat bei ihnen zu der Überzeugung geführt, sie seien der authentische Vollstrecker des Willens des Volkes. Weil sie mit dem Versprechen siegten, Steuererhöhungen zu verhindern, ist das Festhalten daran zu ihrem Katechismus geworden.

So verstockt sich die Republikaner gegenwärtig zeigen (abgesehen von moderaten Vertretern wie dem House-Sprecher John Boehner und dem Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell), so wenig gehören sie allein in die Sünderecke. Spätestens nach Obamas Wahlsieg 2008 haben auch die Demokraten versagt.

Anstatt dem sich längst abzeichnenden Schulden-Tsunami eine Phase haushalterischer Askese entgegenzusetzen, initiierte der Präsident ein billionenschweres Stimuluspaket, das die Rekordarbeitslosigkeit entgegen seiner Ankündigung nicht stoppte. Es verteilte Geld mit der Gießkanne, anstatt es gezielt einzusetzen.

Und zwar war die Philosophie von Obamas Gesundheitsreform richtig, weil ein modernes Land nicht zehn Prozent seiner Bürger unversichert lassen darf. Aber in Zeiten knapper Kassen hätte der Präsident gleiches Gewicht auf die Effizienzsteigerung legen und die immense Mittelverschwendung in den Sozialkassen stoppen müssen.

Der Irrglaube an Steuererhöhungen

Darum bemühte er sich nur am Rande. Und in seiner Partei ist immer noch der Irrglaube verbreitet, die Sozialprogramme seien trotz erkennbarer Mängel heilig und im Zweifel lösten Steuererhöhungen jedes Problem.

Das Problem des Etatdefizits reicht weiter zurück als in die Zeit von Bush. Es ist eng verbunden mit dem schleichenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft. Seit exakt 40 Jahren ist die Handelsbilanz negativ – die Bürger importieren seit 1971 mehr Waren aus dem Ausland, als US-Güter in die Welt exportiert werden.

Das führte zum kontinuierlichen Abbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe und zur steten Verlagerung auf den finanziellen Sektor – der 2009 ebenfalls einbrach. Die Kombination von Haushaltsdefizit und Außenhandelsdefizit versperrt kurzfristige Auswege aus der amerikanischen Krise.

Viel Optimismuspotenzial

Zwar hat die Überschuldung das Vertrauen in den Dollar als Weltwährung so weit erschüttert, dass der niedrige Kurs Exporte theoretisch erleichtert. Aber es gibt nicht mehr viel zu exportieren aus einem Land mit Mindestlöhnen in zahlreichen Branchen, das seine Werkbänke abgebaut und die Schulausbildung vernachlässigt hat.

Gleichwohl steckt noch viel Optimismuspotenzial in einer Gesellschaft, die weiterhin für Einwanderer attraktiv ist und mehr Bauland für Neubürger bieten kann als die dicht bevölkerten Länder Europas und China.

Die Vereinigten Staaten müssen sich grundsätzlich erneuern. Dazu müssen beide Parteien das Wohl des Landes über ihren Vorteil im Wahlkampf stellen. Doch wenn Republikaner und Demokraten die Fähigkeit dazu nicht an diesem Wochenende beweisen, könnte aus der amerikanischen Krise im 21. Jahrhundert der Untergang der dominierenden Macht des 20. Jahrhunderts werden.

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