Schuldenkrise in den USA
Finanzmärkte müssen das Undenkbare denken
Milliarden Dollar werden gebraucht – und zwar jetzt“, steht auf dem US-Plakat von 1918.
Von Stephan Kaufmann
Verlieren die USA erstmals seit 1941 ihr „Triple A“, so erwartet die Weltfinanzmärkte Neuland. Die FR nennt vier Gründe, warum US-Präsident Obama mit seiner Warnung vor einem drohenden „Armageddon“ übertreibt.
In den USA hat die Kreditwürdigkeit des Landes sogar Verfassungsrang: „Die Geltung der öffentlichen Schulden der Vereinigten Staaten darf nicht infrage gestellt werden“, heißt es im 14. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung. Mit ihrem Dauerstreit um die Schuldengrenze rückt die Politik damit nahe an den Verfassungsbruch. Denn einigen sich die Parteien nicht, so droht den USA ein Verlust ihrer Rating-Bestnote AAA. Fatal wäre dies nicht nur für Washington, sondern für den gesamten Weltfinanzmarkt. Unicredit-Ökonom Andreas Rees drückt es simpel aus: Es droht „das Ende der Sicherheit“.
Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht auf eine Anhebung der Schuldengrenze, so müsste das US-Finanzministerium über kurz oder lang Zinszahlungen auf seine Schulden ausfallen lassen. Dies würde unmittelbar zu einer Herabstufung durch die Ratingagenturen führen. Doch selbst wenn es zu einer Einigung kommt, „auf Dauer werden die USA ihr AAA nicht halten können“, meint Rees. Denn der Staat hat zu hohe Schulden angehäuft.
Verlieren die USA erstmals seit 1941 ihr „Triple A“, so erwartet die Weltfinanzmärkte Neuland. Droht dann ein Ausverkauf von US-Staatsanleihen und ein „Armageddon“, wie US-Präsident Barack Obama unlängst warnte? Vier Gründe sprechen dagegen.
Erstens: Die USA sind nicht Griechenland und nicht pleite. Washington würde Kreditgeber finden – wenn die Regierung denn dürfte. Die USA sind auch nicht unhaltbar verschuldet. Die Regierung könnte locker ihre Einnahmen erhöhen, indem sie die Steuern erhöht. Hier ist viel Spielraum. So betragen die Einnahmen aus Steuern und Abgaben in den Vereinigten Staaten lediglich 24 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist der niedrigste Wert aller Industrieländer, die auf einen Durchschnitt von 35 Prozent kommen. Kurz: Grund der Krise ist nicht die Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Regierung. Nicht das Misstrauen der Märkte zwingt die USA zum Sparen, es ist umgekehrt: Der Spar-Fanatismus der Republikaner verunsichert die Märkte.
Zweitens: Wenn die globalen Anleger US-Bonds verkaufen wollten – wo sollten sie hin? Es gibt keine echte Alternative, die Sicherheit bietet. Euro und Yen? Kaum. Denn die Euro-Zone und Japan kämpfen selbst mit Schuldenbergen. „Sichere Häfen“ wie der Schweizer Franken sind schlicht zu klein: An den Märkten kursieren Franken-Anleihen über rund 100 Milliarden Dollar. Das ist zu wenig für die fast 10000 Milliarden, die in amerikanischen Staatsanleihen angelegt sind. „US-Staatsanleihen machen fast zwei Drittel des globalen Marktes für AAA-Anleihen aus“, so die Commerzbank. „Mit anderen Worten: Es fehlt ein ausreichend großes Auffangbecken, um die Flucht aus Treasuries zu ermöglichen.“
Was ist mit Anlagen in den Schwellenländern wie China, wo die Schulden noch gering sind? Hier gibt es gleich zwei Probleme: Auch hier sind die Volumina zu klein. Gleichzeitig würden sich die Schwellenländer mit Kapitalverkehrskontrollen und Verboten gegen einen drastischen Kapitalzufluss wehren, der ihre Währungen aufwerten und ihr Exportmodell gefährden würde. Bleiben als letzte Alternative Investments wie Rohstoffe. Doch die bieten keine Sicherheit – selbst Gold nicht. Zwar ist der Goldpreis stark gestiegen. Was Anleger aber suchen – und in US-Bonds finden – das ist Sicherheit und keine Spekulation auf Preissteigerungen.
Drittens sind die meisten US-Staatsanleihen in ruhigen Händen: Drei Viertel von ihnen halten Zentralbanken, US-Haushalte, US-Bundesstaaten und langfristige Investoren. Sie werden nicht eilig verkaufen – auch die Chinesen nicht. Denn Peking braucht die Dollar-Reserven, um den Wechselkurs seiner Währung gegen den Dollar stabil zu halten.
Viertens: Sollten die restlichen Anleger ihre US-Anleihen auf den Markt werfen, würde sicher die US-Zentralbank als Käufer auftreten, um einen Preisverfall der Papiere und damit einen Anstieg der Zinsen zu verhindern.
Ein wilder Ausverkauf wäre also nicht wahrscheinlich. Sicher ist sich aber niemand. Denn „unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems ist Vertrauen“, so M.M.Warburg-Ökonom Carsten Klude. „Dieses Vertrauen ist bereits zu einem Teil verloren gegangen und droht ganz verloren zu gehen.“
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