Washington’s Self-Imposed Time Bomb

<--

Der US-Schuldenstand dürfte in diesem Jahr auf über 100 Prozent des BIP steigen. Die Misere hat sich die weltgrößte Volkswirtschaft aus Sicht von Ökonomen selbst eingebrockt. Die Gründe für den Niedergang. von Martin Kaelble, Berlin

Anzeige

Die Misere des US-Haushalts ist nach Ansicht von Ökonomen ein hausgemachtes Problem Washingtons. Es sei nicht die Folge unabänderlicher ökonomischer Fakten und Rahmenbedingungen, sondern die Konsequenz bewusster politischer Entscheidungen, betonte Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt der WestLB.

Der Schuldenstand der USA dürfte laut OECD-Schätzung in diesem Jahr auf über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) klettern. 2006, vor Beginn der US-Finanzkrise waren es noch rund 60 Prozent. Das Defizit geht zwar zurück, dürfte aber 2011 immer noch bei knapp zehn Prozent liegen. Das konjunkturbereinigte Primärdefizit – also der Budgetsaldo aus Einnahmen und Ausgaben ohne Zinszahlungen – lag 2010 bei sieben Prozent des BIP. In der Eurozone waren es 1,1 Prozent.

Damit ist der US-Haushalt nach Ansicht vieler Ökonomen wenig nachhaltig. “Unter US-Präsident Bill Clinton war der Haushalt noch so eingestellt, dass sich der Primärsaldo schon bei einem Wachstum von etwa 2,4 Prozent pro Jahr verbesserte”, sagte David Milleker, Chefvolkswirt von Union Investment. Mittlerweile bräuchte es Wachstumsraten von mehr als 2,7 Prozent. In Normalzeiten wäre das in der US-Wirtschaft machbar gewesen. Aufgrund der Krisenfolgen rechnen einige Ökonomen aber zumindest in diesem Jahr erneut mit weniger Wachstum.

Gründe für den Niedergang des Haushalts nach der Ära Clinton gibt es viele: Kriegskosten und Steuersenkungen aus der Zeit von Präsident George W. Bush, Konjunkturpakete und Bankenrettung in der Krise und die jüngsten Gesundheitsreformen unter der neuen Regierung – all das hat die Haushaltssituation massiv verschlechtert.

“Das Problem ist, dass die Einkommensteuersätze in den vergangenen zehn Jahren so deutlich gesenkt wurden, dass nun die Einkommensbasis für den Staat zu niedrig ist”, betonte Rudolf Besch, US-Experte der Dekabank. Gegen Steuererhöhungen wehrt sich aber der radikale Flügel der Republikaner. Und auch eine Reihe von Ökonomen lehnt diese Art der Konsolidierung ab.

Immerhin haben die USA im Gegensatz zu Ländern wie Griechenland einen Rettungsanker: Sie können ihre Währung selbst drucken. Der Dollar ist noch dazu eine globale Leitwährung. Auch ein anderes Problem haben die USA nicht: “Sollte die EZB Peripherie-Anleihen wegen ihres Ratings nicht mehr als Sicherheit akzeptieren, wären die Banken in diesen Ländern von der Liquiditätsversorgung abgeschnitten”, so Fahrinkrug.

Dies dürfte ein Grund sein, warum Ratingagenturen und Anleger die USA trotz schlechterer Haushaltsdaten besser bewerten als so manches Euro-Land. “Geht das Vertrauen der Kapitalmärkte in die USA so verloren, wie es derzeit in den europäischen Peripherieländern der Fall ist, sind die USA die eigentlich tickende Zeitbombe für die Weltwirtschaft”, sagte Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg. Wie der Fall Italien vergangene Woche gezeigt hat, kann dieses Vertrauen auch durch politische Grabenkämpfe verloren gehen.

About this publication