Fictional Crisis, Real Consequences

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Die Uhr tickt. Die 14-stellige Zahl auf der berühmten „Nationalen Schuldenuhr“ in New York zeigt, wie die Schulden der USA immer größer werden, und die Zeit wird allmählich knapp.

Gibt es bis zum 2. August keinen Kompromiss im US-Kongress zur Anhebung der bei 14,3 Billionen Dollar liegenden, gesetzlichen Schuldengrenze, dann sind die Vereinigten Staaten zahlungsunfähig. Ein regelrechtes Katastrophenszenario, das die USA in eine tiefe Krise führen würde und auch verhängnisvolle Konsequenzen für die Weltwirtschaft haben könnte. Diese realen Folgen wären dann allerdings das Resultat einer fiktiven und regelrecht unnötigen Krise.

Der erbitterte Streit im amerikanischen Repräsentantenhaus scheint schlichtweg surreal. Die Republikaner haben die unabdingbare Anhebung der Schuldengrenze zum Grundsatzproblem erklärt. Eine noch nie da gewesene Einstellung der US-Abgeordneten. Seit 1930 wurde die festgelegte Obergrenze insgesamt 89 Mal nach oben korrigiert, allein unter dem ehemaligen konservativen US-Präsidenten Ronald Reagan wurde sie 18 Mal angehoben, und unter George W. Bush geschah dies sieben Mal.

Damals gab es keinen nationalen Disput, der das Land an den Rand des Abgrunds geführt hätte. Warum also gerade jetzt dieser überflüssige Zank? Die Antwort liegt auf der Hand. Nächstes Jahr sind in den Vereinigten Staaten Wahlen. Die Rechtspopulisten der dubiosen Tea-Party-Bewegung nutzen die US-Verschuldung, um Stunk zu machen. Die Neinsager wollen mit ihrer sturen Blockadehaltung auf Stimmenfang gehen.

Unverantwortlich und gefährlich

Ihre politische Strategie ist einfach: Eine kategorische und feige Ablehnung sämtlicher Vorschläge und Ideen von US-Präsident Barack Obama. Dadurch entlarven sie sich wieder einmal als unverantwortliche und unwürdige Volksvertreter. Nur zeigt ihr üblicher Wahnwitz diesmal, wie gefährlich die vergröbernden Populisten wirklich sind. Natürlich kann man über einen künftigen Schuldenabbau nachdenken, es scheint aber sinnlos und realitätsfremd, solche Entscheidungen vor der Deadline eines möglichen Staatsinfarkts verabschieden zu wollen.

Auch sollte man nicht vergessen, dass der amerikanische Schuldenberg auf das Missmanagement der republikanischen Präsidentschaften zurückzuführen ist. Das Dogma der Republikaner heißt niedrige Steuern, denn sie wollen die Reichen von der Finanzierung des Gemeinwesens entlasten. Steuererhöhungen sind für sie ein rotes Tuch. So wehren sie sich energisch dagegen, den Schuldenabbau durch diesen klassischen Umverteilungsmechanismus zu gewährleisten. Die Tea-Party-Anhänger gehen jedoch einen Schritt weiter und fordern noch drakonischere Kürzungen als die restlichen Republikaner. Sogar John Boehner, der mächtige Sprecher des Repräsentantenhauses, scheint ratlos gegenüber den Querdenkern in der eigenen Partei und hat große Mühe, sich gegen die Tea-Party-Vertreter durchzusetzen. Präsident Obama enttäuscht seinerseits einen Teil der US-Demokraten, die sich wünschen, er würde ein Exempel statuieren und die Schuldengrenze eigenmächtig erheben.

Keine der politischen Parteien und Strömungen kann erwarten, als Gewinner aus diesem Streit hervorzugehen. Einen klaren Verlierer gibt es aber bereits, wie die linksgerichtete Blog-Autorin Ariana Huffington zu Recht bemerkt: Und zwar die Amerikaner selbst.

Die USA leiden nämlich weiterhin schwer unter den Konsequenzen der Wirtschaftskrise. Die Politik sollte dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und der bitter nötigen Schaffung von Jobs die absolute Priorität einräumen, anstatt sich mit einer von Rechtspopulisten künstlich herbeigeredeten Krise befassen zu müssen, die zudem verheerende Folgen haben könnte.

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