The American Ticks Differently than the European — Fortunately

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Der Amerikaner tickt anders als der Europäer – zum Glück

STEFAN RIECHER (Die Presse)

Man muss den rechten Rand der Republikaner für seine Gesellschaftspolitik zerpflücken. Doch es lohnt sich, wirtschaftspolitisch etwas genauer hinzusehen.

Wer sich dieser Tage noch fragt, ob die Weltwirtschaft in einer Schuldenkrise steckt, der sei beunruhigt: Mit der EU und den USA stehen die beiden größten Wirtschaftszonen der Welt am Rande der Insolvenz. Ein Gutteil der Politiker diesseits des Atlantiks mag das zwar immer noch auf ungnädige Märkte schieben. Klar ist, dass auch mit dem zweiten Hilfspaket für Griechenland die Gefahr nicht gebannt ist, wie etwa die Lage in Italien zeigt, das zusehends das Vertrauen der Geldgeber verliert.

Jeder weiß, was passiert, falls Italien „krachen“ ginge: Kein Rettungspaket und kein Rettungsschirm könnten dem Euro mehr helfen. Die Gemeinschaftswährung in ihrer jetzigen Form wäre Geschichte. Sagen will das so niemand, wer will auch schon seinen Bürgern erzählen, dass man die Lage zwei Jahre lang verkannt hat? So gesehen kommt der Schuldenstreit in den USA der europäischen Politik gelegen. Es ist „in“, den Zeigefinger auf die Supermacht zu richten. Die bösen Republikaner gefährden mit ihrer Blockadepolitik schließlich nicht nur die Präsidentschaft des diesseits des Atlantiks so populären Präsidenten Barack Obama. Vielmehr die gesamte Weltwirtschaft. Anstatt das Schuldenlimit endlich um mindestens 2,4 Billionen Dollar anzuheben, wird bis zum bitteren Ende gestritten, selbst wenn das die Zahlungsunfähigkeit bedeuten mag.

Nun wäre es tatsächlich einfach, das Limit einfach anzuheben. Mit dem Dollar als Leitwährung im Rücken haben die USA kaum Probleme, auf dem Kapitalmarkt weiter Geld zu bekommen. Mit 98Prozent der Wirtschaftsleistung ist die Verschuldung hoch, von griechischen oder italienischen Sphären aber weit entfernt. Und auch die Ratingagenturen würden sich wohl gnädig zeigen, sollten die USA das von den Demokraten vorgeschlagene Sparpaket einfach absegnen.

Und doch legen sich die Republikaner unter dem Druck der Tea Party quer. Und das ist gut so. Man muss die Vertreter der Tea Party für ihre Gesellschaftspolitik attackieren: Da wird ausgiebig gegen Moslems gehetzt und Homosexualität als Krankheit klassifiziert. Doch wirtschaftspolitisch werden es die Republikaner sein, und mit ihnen vor allem die Tea Party, die die USA vor einem europäischen Schicksal bewahren.

Niedrige Steuern, ein überschaubares Budget und individuelle Freiheit sind jene Grundwerte, mit denen die USA zur Supermacht aufgestiegen sind. Die Idee einer an Bedeutung gewinnenden Regierung widerstrebt den Amerikanern, doch genau dieses Ziel verfolgt Obama: Dem neutralen „Congressional Budget Office“ zufolge will der Präsident die Ausgabenquote von 20 auf 22 Prozent erhöhen – immer noch ein niedriger Wert, trotzdem ein Trend in die falsche Richtung. Und Steuern anzuheben, um das Defizit zu finanzieren, entspricht schlicht nicht der Ideologie des Amerikaners.

Mit Skepsis ist auch die Ansage Obamas zu bewerten, gegen jeden Kompromiss Einspruch zu erheben, der das Schuldenthema nicht bis ins Jahr 2013 ruhigstellt, wenn die nächste Präsidentschaftswahl längst geschlagen ist. So spricht nur jemand, dem es unangenehm ist, über Möglichkeiten zur Schuldenreduktion nachzudenken. Tatsächlich sind es schwere Einschnitte, die die Amerikaner werden verdauen müssen. Die Ausgabenstruktur muss fundamental reformiert werden, und mit ihr das Gesundheitswesen: Die Kosten für die Programme Medicare und Medicaid werden bis 2035 um 50Prozent steigen, wenn es nach Obama geht.

Freilich ist es richtig, dass auch der aktuelle Plan der Demokraten erhebliche Einsparungen vorsieht. Allerdings, und auch darauf weist das „Congressional Budget Office“ hin, setzen sie ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent voraus. Im ersten Halbjahr wuchs die US-Wirtschaft um 1,9Prozent. Springt die Konjunktur nicht rasch an, werden die Sparziele der Demokraten deutlich verfehlt. Da werden doch Erinnerungen wach: Auch Griechenland berief sich einst darauf, dass die enttäuschende Konjunktur am Debakel Schuld trage.

Noch sind die USA von einem griechischen Schicksal weit entfernt. Dafür ausschließlich die „Hardliner“ in den Reihen der Republikaner zu kritisieren kann freilich nur schuldenverliebten Europäern einfallen.

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