Beacon of Stupidity

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Da hat wohl ein ganzes Volk seinen ehemaligen Präsidenten John F. Kennedy falsch verstanden, als dieser meinte: “Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!”

Anders kann man sich nicht erklären, warum die Amerikaner das Spielchen seit Reagan mitmachen, welches heißt: Weniger Geld für die Armen und die Mittelschicht, weil die staatlichen sozialen Leistungen gekürzt werden, aber viel mehr Geld für die Superreichen, weil (fast) nur für sie, in schöner Regelmäßigkeit, die Steuern gekürzt werden.

Unerklärlich ist dieses Phänomen nicht. Spätestens seit Ronald Reagans Präsidentschaft machte man sich in den USA daran, die Axt an alle staatliche soziale Programme zu legen, nach dem, wohlgemerkt vorgegaukelten, Motto „weniger Staat ist mehr Geld in den Geldbeuteln der Bürger“. Denn in Wahrheit hat sich die soziale Schere in den USA seit dieser Zeit so weit geöffnet wie noch nie. Allein in den letzten zehn Jahren, so hat Nobelpreisträger Robert Stiglitz im Mai vorgerechnet, hat sich das Einkommen der reichsten Amerikaner (ein Prozent der Bevölkerung) um 18 Prozent erhöht. Die gesamte Mittelschicht und die Armen sahen ihr Einkommen dagegen schrumpfen. Am schlimmsten traf es die Kategorie der männlichen „blue collars“ (Arbeiter) mit „lediglich“ einem sekundären Schulabschluss. Ihr Einkommen sank während derselben Zeitspanne um zwölf Prozent.

Würden solche Verhältnisse in Westeuropa herrschen, wäre berechtigterweise Bambule auf den Straßen angesagt. Nicht so in den USA, denn hier wird der Volkszorn kanalisiert und gegen sich selbst gerichtet.

Tyrannei der Minderheit

Anders ist das Aufkommen der Tea-Party-Bewegung nicht zu verstehen. Vor allem die weiße Mittelschicht machte im Zuge der Finanzkrise ihrem Ärger dadurch Luft, dass man gegen die Rettung der Banken durch den Staat wetterte. Nun, da die Bewegung im Schoße der Republikaner angekommen ist und die Reagan-Jünger von ihr sogar rechts außen überholt wurden, verfolgen die Tea-Party-Vertreter eine Politik, die gegen die Interessen ihrer konservativen Wutbürger geht. Mit deren Segen allerdings. Ihre ideologische Sturheit in der Debatte um den Defizitabbau und der nun von allen Seiten gelobte Kompromiss zur Austeritätspolitik (welch politische Hypokrisie) werden letztlich auch die Tea-Party-Anhänger hart treffen. Paradoxal oder völlig irrational, könnte man meinen.

Weit gefehlt. Das Ganze hat System und ist höchst rational. Allerdings nur aus der Perspektive der Geldsäcke, die dank Fox News und der Gralshüter des Antikommunismus im Radio und TV die aufgebrachte Mittelschicht dazu brachten, jeden noch so stupiden Angriff auf den Staat und das Gemeinwohl als einen Sieg der Freiheit zu preisen.

Doch so langsam dämmert es auch eben denselben Amerikanern, dass mit ihrer Demokratie etwas nicht mehr stimmt. Sogar die Hysterie um die Tea-Party-Bewegung scheint sich jetzt, da die Schuldendebatte vorübergehend beendet ist, zu legen. Drei von vier Amerikanern stellen ihren Politikern ein schlechtes Zeugnis aus.

Fehlt eigentlich nur noch, dass die Amerikaner in ihrer Gesamtheit bemerken, dass das Land, das sich so gern als „Leuchtturm der Demokratie“ sieht, längst zu einer Tyrannei der (Geld-)Minderheit verkommen ist.

Anscheinend gibt es ja Regionen in der Welt, wo die sozialen Netzwerke geholfen haben, eine offenere Diskussionskultur aufzubauen, und so zur allgemeinen Aufklärung beigetragen haben. Der eine oder andere Tyrann soll schon gegangen worden sein. Ob dies auch die Amerikaner fertigbringen können? Zumindest die technischen Voraussetzungen haben sie.

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