What's Next, America?

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Schuldenkrise Wie weiter, Amerika?

Der Niedergang der USA ist schon oft vorhergesagt worden. Noch hat die amerikanische Politik aber Zeit, die notwendigen Kurskorrekturen vorzunehmen. Kommentar

Quo vadis, Amerika? Der lähmende Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze und nun die Herabstufung der Kreditwürdigkeit zeigen: Die USA sind in einer ernsten Krise. Sie sind jetzt der kranke Mann des Globus. Da sie die mit Abstand größte Volkswirtschaft sind, hängt von ihrer Entwicklung ab, ob die Weltwirtschaft zu Wachstum findet oder in die Rezession zurückfällt.

Beides ist möglich. Entweder erlebt die Welt gerade einen historischen Wendepunkt, an dem sich der Niedergang der Weltmacht, der Aufstieg anderer Mächte und der Wandel zu einer multipolaren Welt beschleunigen. Oder die USA begreifen die Herabstufung als ernste Warnung. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s mag sich in ihrer Schuldenprognose um zwei Billionen Dollar verrechnet haben oder auch nicht – im Kern ihrer Analyse hat sie recht.

Amerikas Problem ist nicht fehlende Wirtschaftskraft, sondern seine politische Klasse. Die USA sind kein Griechenland, sie haben auch nicht die Sorgen Italiens oder Spaniens. Sie können ihre aktuellen Rechnungen bezahlen und wären durchaus in der Lage, ihren Schuldenberg abzubauen – sofern die Politik den richtigen Weg einschlägt.

Der “kranke Mann” Amerika

Die jüngsten zwei Jahrzehnte halten ein Mut machendes und ein abschreckendes Beispiel bereit: Deutschland und Japan. Japan wurde 1990 zum “kranken Mann Asiens” und hat bis heute aus der Stagnation nicht herausgefunden. Der Hauptgrund ist politische Lähmung. Deutschland galt in den 90er Jahren als der “kranke Mann Europas”. Es hatte Strukturprobleme: von den Sozialkassen, die die Kosten einer alternden Gesellschaft kaum noch tragen konnten, über die Einwanderungspolitik bis zum Steuersystem. Der Regierung fehlte die Kraft zu Reformen.

Die Kosten der Einheit ließen den Schuldenberg noch schneller wachsen. Schwarz-Gelb wurde 1998 abgewählt. Rot-Grün leitete Reformen ein, beging aber handwerkliche Fehler. Bei der Reparatur des Sozial- und des Steuersystems musste nachgebessert werden. Den Stresstest der globalen Finanzkrise 2008 bestand Deutschland dann ziemlich gut, ist heute der starke Mann Europas und steht im Vergleich mit den Wirtschaftstigern anderer Kontinente sehr ordentlich da. Die Korrektur dauerte mehrere Jahre.

Welchen Weg wählt Amerika – Reform oder Stagnation? Der Niedergang der USA ist schon oft vorhergesagt worden. Bisher hat das Land seine Kritiker und Neider zumeist mit seiner Fähigkeit zur Selbstkorrektur überrascht. Nationen können jedoch Fehler begehen. Die größte Fehlerquelle einer mächtigen Nation liegt in Selbstüberschätzung und Dekadenz.

Was passieren müsste, ist ziemlich klar: Amerika muss sparen, doch eher langfristig als sofort. Kurzfristig darf die Politik das bisschen Aufschwung nicht durch drastische Ausgabenkürzungen gefährden. Auf längere Sicht muss sie den dramatischen Anstieg der Staatsausgaben in den letzten zehn Jahren begrenzen und dem Staat etwas höhere Einnahmen erlauben. Die größten Kostentreiber sind das Militär sowie die Ausgaben für Grundrente und Gesundheitsversorgung der Senioren; auch die USA altern. Das größte Hindernis für gesunde Einnahmen sind die Steuervergünstigungen für Konzerne und Spitzenverdiener.

In den Kämpfen der jüngsten Wochen haben sich indes die radikalen Flügel beider Parteien durchgesetzt und die Krise verschlimmert. Rechte Republikaner halten an der Ideologie fest, der Staat solle möglichst wenig Steuern bekommen. Linke Demokraten verweigern Korrekturen an der Altersversorgung, zum Beispiel durch einen “demografischen Faktor” wie in Deutschland, der dem einzelnen Rentner nicht unzumutbar wehtut, aber die Ausgaben insgesamt reduziert. Die Kürzungen im Staatsbudget greifen sofort, das kostet Wachstum und weitere Arbeitsplätze. Die langfristig nötigen Reformen sind bisher ausgeblieben.

Die eigentliche Frage ist, ob Amerikas politische Klasse noch “Kredit” verdient, also Vertrauen. In Deutschland hat die Politik mehrere Jahre gebraucht. Ein bisschen Zeit werden die Märkte auch den USA geben. Nehmen die sich aber zu viel Zeit, droht ihnen das Schicksal Japans.

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