Man Thinks, Google Steers

<--

Der Mensch denkt, Google lenkt

Die Suchmaschine entscheidet darüber, wer und was im Internet gefunden wird – und wer oder was nicht. Kommt Google+ hinzu, wird diese Macht bedrohlich.

Zugang zu Wissen ist Macht. Das ist eine uralte Wahrheit. Deshalb zwangen schon die alten Ägypter jedes Schiff zur Herausgabe sämtlicher Schriftrollen und fertigten je eine Kopie für die legendäre Bibliothek von Alexandria an. Auch die katholische Kirche nutzte ihr Wissens- und Wahrheitsmonopol, das ihr aus zahllosen Abschriften von Bibeln und anderen Bücher erwuchs, über 1 000 Jahre für ihre Machtpolitik in Europa.

Googles Slogan „alles Wissen der Welt jedem zugänglich zu machen“, führt uns hinters Licht. Das Wissen der Welt ist erst einmal nur Google zugänglich. Google entscheidet, ob wir beim Stichwort „Angela Merkel“ zuerst den kritischen Wikipedia-Eintrag oder doch die schöne PR-Website der Kanzlerin sehen. Und die Suchmaschine entscheidet auch, welche Preisvergleichsseite uns bei der Suche nach einem Fotoapparat zuerst angezeigt wird. Das ist relevant, weil wir bequem sind. 95 Prozent von uns begnügen sich mit den ersten drei Suchtreffern.

Mit den sozialen Netzwerken wuchs die Hoffnung, dass dieses Wissensmonopol durchbrochen werden könnte. Die Idee: Die Nutzer könnten durch das spielerische Teilen von Inhalten eine Alternative zum einheitlichen und intransparenten Such-Algorithmus bilden. Auf einmal war wichtig, was die Nutzer interessierte.

Google war sich der Gefahr bewusst und probierte bereits mit „Buzz“ und „Google Wave“, eigene „soziale Medien“ zu etablieren. Das scheint nun im dritten Anlauf mit „Plus“ zu klappen. Sollte Plus auch langfristig ein Erfolg werden, könnten sich nicht nur die Hoffnungen auf einen Suchmaschinenkonkurrenten aus dem Umfeld der anderen sozialen Medien verflüchtigen. Schlimmer noch: Google könnte seine monopolartige Dominanz bei der Auswahl von Wissen weiter ausbauen.

Die Gefahren, die aus Informationsmonopolen erwachsen, sind erheblich. Um eine zu starke Machtkonzentration zu verhindern, ist die deutsche Offline-Medienlandschaft aufwendig reguliert. In der Onlinewelt fehlt dies bisher, was zurzeit vor allem Google ausnutzt, um seine Produkte und Dienstleistungen immer stärker durchzusetzen. Alternative Preisvergleichsseiten sind etwa ebenso aus den ersten Suchergebnissen verschwunden wie alternative Suchmaschinen, Kartenanbieter oder Fotodienste. Sie wurden ersetzt durch Google-Produkte. Mit einem Handschlag entfernte der Suchgigant kürzlich sämtliche Bewertungen von Drittportalen aus den lokalen Suchergebnissen von „Google Places“. Dieser Schritt stellt über Nacht das Hamburger Unternehmen Qype in Frage – scheint es doch nun für die Nutzer von Google kaum mehr zu existieren.

Google nimmt, was es kriegt. Für Google News etwa liest die Suchmaschine automatisch tausende Zeitungen aus. Aber wehe ein Zeitungshaus klagt, dann fliegt es nicht nur aus Google News raus, sondern wird gleich ganz aus dem Google Index verbannt, wie kürzlich die belgische Zeitung Le Soir. Und auch den Vertrag mit Twitter ließ Google auslaufen. Man hat nun ja sein eigenes Netzwerk. Selbstgerecht verteilt Google die Marktchancen. Und wir sind alle abhängig und den Entscheidungen von Google ausgeliefert.

All diese Schritte haben System. Google führt neue Dienste ein und setzt sie in seiner Suchmaschine auf die ersten Plätze. So verzahnt Google nun auch sein soziales Netzwerk fest auf der Taskleiste der Startseite. Und auch die Google+-Profile und ihre Empfehlungen wandern in den Suchergebnissen nach oben, Links zu Facebook-Profilseiten hingegen nach unten. Auch Google-Mail, -Kontakte, -Photos (Picasa) und Youtube wurden mit dem Netzwerk verzahnt. Alle anderen E-Mail-, Foto-, Video-Anbieter haben das Nachsehen. Und der Konzern ist längst nicht fertig: Google Games und -Music und -TV kommen noch.

Google sagt, all das sei ein Service. Der Nutzer brauche dann weniger selbst suchen. Google sucht für ihn. Die Suchmaschine weiß schließlich, was der Nutzer will – da muss der Nutzer gar nicht mehr entscheiden. Frank Schirrmacher fragt in der FAZ daher zu Recht nach der politischen und sozialen Macht von Google. Vergessen hat er allerdings die wirtschaftliche Macht des US-Unternehmens.

Denn auch für Firmen, die nicht in direkter Konkurrenz zu Google stehen, gibt es keinen Weg mehr um die Suchmaschine herum. Die einzige Möglichkeit dort noch Kunden für die eigenen Angebote zu gewinnen, ist durch teure Ad-Words Kampagnen. Nicht auszudenken, wie sich Googles Macht noch potenzieren würde, wenn Plus als soziales Netzwerk so dominant werden würde wie die Google-Suche, die seit Jahren einen Marktanteil von über 90 Prozent in Deutschland hat.

Google und sein neues soziales Netzwerk stellen deshalb nicht nur eine Bedrohung für die Gesellschaft und für freies Wissen dar, sondern auch für einen fairen und freien Wettbewerb im Internet.

Christoph Waitz ist Sprecher von ICOMP (Initiative für einen wettbewerbsfähigen Online-Markt) in Deutschland. ICOMP hat rund 40 Mitglieder, darunter Unternehmen und Verbraucherschutzorganisationen. Die Initiative wird von Microsoft gesponsert.

About this publication