The United States Has Squandered Its Peacekeeping Power

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Die USA haben ihre Ordnungsmacht verspielt

Die Zeit ist aus den Fugen. Aber die Europäer müssen erst noch in Krisen lernen, dass Amerika sie nicht mehr vor den Folgen ihrer Schwäche retten kann.

Von Sir Winston Churchill stammt der Satz, man könne sich darauf verlassen, dass die Amerikaner immer die beste Lösung finden: “Nachdem sie erst einmal alle anderen ausprobiert haben.” Nach dem Pokerspiel im Kongress bin ich dessen nicht mehr so sicher – und auch die Ratingagenturen äußern Zweifel.

Der Präsident, wenn es schon an Führung fehlte, beklagt die Lage: Das amerikanische Volk, sagte er im Fernsehen, “hat sich vielleicht für geteiltes Regieren entschieden, aber nicht für ein dysfunktionales Regierungssystem.”

In den Zeiten des Kalten Krieges gab es einen unversöhnlichen Feind. Das hatte auch sein Gutes. Politiker beiderseits des Ganges standen in Fragen nationaler Existenz unter Einigungszwang.

Es klingt wie aus einer anderen Welt, dass die Vereinigten Staaten in Bretton Woods im Herbst 1944 weit vorausschauend das globale Nachkriegsfinanzsystem entwarfen, dessen Institutionen im Wesentlichen noch heute bestehen und segensreiche Wirkung ausüben: Weltbank und Weltwährungsfonds.

Fast so lange ist es her, dass Amerika, obwohl tief in der Nachkriegsdepression, mit dem Marshall-Plan den Entwurf einer Welt des Freihandels und globaler Solidarität lieferte. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg rief die Neue Welt die Alte wieder unter die Lebenden zurück.

Das war die Idee der Pax Americana. Heute leidet Amerika, hausgemacht, unter dem doppelten Defizit des Haushalts und der Zahlungs- und Handelsbilanz. Dazu kommt der Verfall des Dollar, der sich gegenüber dem rutschenden Euro vergleichsweise maßvoll ausnimmt, gegenüber Gold oder Schweizer Franken aber krass.

Die Schwäche Amerikas aber gibt weltpolitischen Turbulenzen ihre Chance. Die Ordnungsmacht der einzigen Supermacht ist verspielt in zwei ungewinnbaren Kriegen. Auf der Rechten die Tea-Party-Bewegung, Anti-Washington, Anti-Big-Government und Anti-Weltrettung, entnervt die Republikaner.

Der führungsschwache Präsident enttäuscht die Demokraten. Das alles trifft Europa und die Europäer unvorbereitet. Eine größere außenpolitische Rolle ist seit der verantwortungslosen Libyen-Enthaltung der Deutschen im Sicherheitsrat ferner denn je.

Die Krise der Staatsschulden offenbart Schwächen im Euro-System. Der Absturz der Börsen wird dadurch verstärkt, dass es an Vertrauen in die Steuerleute fehlt. Die Zeit ist aus den Fugen. Aber die Europäer müssen erst noch in Krisen lernen, dass Amerika sie nicht mehr vor den Folgen ihrer Schwäche retten kann.

Der Autor ist Historiker und Chefkorrespondent der “Welt”-Gruppe und schreibt im Wechsel mit Lord Weidenfeld.

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