Shock Photos: Free Will in America Ends with Tobacco

<--

Schockfotos

Beim Tabak hört es auf mit freiem Willen in den USA

Kein Whiskeyhersteller muss eine Säuferleber abbilden, kein Brausefabrikant muss vor Zucker warnen. Nur beim Rauchen hört die amerikanische Freiheit auf.

Barack Obama tat es im Garten des Weißen Hauses; Arnold Schwarzenegger hielt sich in Sacramento ein Zigarren-Zelt im Hof der Staatskanzlei; diese beiden Herren allerdings hatten ausreichend Hausmacht, sich nie von Fotografen erwischen zu lassen. Die übrigen Millionen Raucher Amerikas, 21 Prozent der über 18-Jährigen, stehen bereits seit Jahren am Pranger.

Eine Gesellschaft von Parias, verpönt und verschreckt, im Winter bibbernd an Häuserecken zu beobachten, oder eingepfercht in den Glaskästen von Flughäfen, deren Gestank noch jeden, der nicht vollends süchtig ist, schnell zur Flucht bewegt. So ist es gut, so will es die US-Regierung im Namen der Volksgesundheit.

Über Jahre spielte die Tabakindustrie dieses Spiel mit, verklagt und Milliarden Dollar Schadensersatz blutend. Nun aber, sagt ein Bündnis großer Hersteller – R.J. Reynolds, Lorillard, Commonwealth Brands, Liggett Group und Santa Fe Natural Tobacco Company –, sei es genug. „Big Tobacco“ wehrt sich mit einer Gegenklage gegen die Warnhinweise auf ihren Produkten.

„Nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden Hersteller eines legalen Produkts gezwungen, ihre eigene Verpackung und Werbung zu nutzen, um eine emotional aufgeladene Nachricht der Regierung weiterzugeben, die erwachsene Konsumenten auffordert, ihre Produkte zu meiden.“

Diesen Satz der Tabak-Anwälte mag man tief inhalieren und genießen; auch die US-Regierung wird seine Akkuratesse kaum bestreiten. Anders als Schusswaffen, Alkohol, gewaltverherrlichende Videospiele, volksverhetzender Rassismus oder selbst verschuldete Fettleibigkeit genießt der Tabakgenuss und seine Verbreitung in den Vereinigten Staaten nicht den Schutz der freien Wahlmöglichkeit mündiger Bürger und der Meinungsfreiheit. Ein Recht, das in den USA nahezu heilig ist und auch die erstaunlichsten Schurkereien deckt.

Kein Whiskeyhersteller ist gezwungen, eine Säuferleber abzubilden, kein Brausefabrikant muss vor der süchtig machenden Zuckerdröhnung seines Produkts warnen. Die Tabakindustrie ist seit Juni in der Pflicht, neun wechselnde Abschreckungsmotive unübersehbar auf seine Verpackungen zu drucken.

Die Leiche mit zugenähter Brust („Smoking can kill you“) wie die verdunkelten, lückenhaften Zähne samt Lippengeschwür („Cigarettes cause cancer“) illustrieren eindrücklich eine üble, womöglich tödliche Angewohnheit. Das von seiner rauchenden Mutter gequälte Frühchen im Brutkasten und der reuige Mann mit Sauerstoffmaske (nach einem Infarkt) zählen zu den erträglicheren Varianten.

Inszenierte Raucher im Kino

Foto: Ho Coole Raucher oder negative Vorbilder? Das ist doch irgendwie verrucht: Scarlett Johansson raucht – natürlich im Film. Im Jahr 2006 war sie so in “Die schwarze Dahlie” zu sehen.

US-Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius verteidigte die Warnungen im Juni als „offen und ehrlich“. Alles muss erlaubt sein im Kampf gegen dieses Laster, lautet die Auffassung der Behörden. Die Tabakkläger machen dagegen geltend, die wechselnden Aufdrucke, die jeweils die Hälfte des Raums auf Vor- und Rückseite der Packung einnehmen, verlangten die Investition von Millionen in entsprechend flexible Drucker. Wichtiger als alle anderen Härten sei jedoch die Einschränkung des Rechts, Tabak zu verkaufen und zu kaufen.

Nun fällt es schwer, in „Big Tobacco“ arglose Opfer staatlicher Entmündigung zu erkennen. Seit zwei Jahren ist eine Klage der Industrie gegen das „Family Smoking Prevention and Tobacco Control Act“ anhängig. Das Gesetz verbietet Tabakherstellern das Sponsoring von Sportwettkämpfen und Kulturveranstaltungen; verboten ist es ihnen zudem, ihre (suchterzeugenden) Produkte zu Werbezwecken zu verschenken.

Die Industrie ging in die Berufung, nachdem ein Richter die wichtigsten Vorschriften für rechtens erklärt hatte. Man nimmt es genau bei „Big Tobacco“. So beanstanden die Anwälte in der neuen Klage, dass der Leichnam mit der zugenähten Brust nicht echt ist, sondern von einem Schauspieler – zweifellos ein Höhepunkt seiner Karriere – dargestellt wird. Auch seien die rosigen Lungenflügel, die neben gelben und schwarzen Raucherlungen abgebildet würden, aufgehübscht, wie allzu frische Salami.

Die US-Streitkräfte, Hollywood und ein paar alternde Rockstars bieten die letzten Nischen, in denen Rauchen cool sein soll. Paparazzi dokumentieren Filmstars mit Kippe, und der gebürtige Engländer Keith Richards, wohnhaft in Connecticut, lässt sich auf US-Tourneen der Rolling Stones lieber bei jedem Konzert mit Geldstrafen eindecken, als seine Qualmerei auf der Bühne zu lassen. Soldaten im Feld dürfen, wohl weil ihr Leben durch Feinde ohnehin bedroht ist, noch immer offen rauchen.

Es gab Zeiten, da wollten rauchfreie Eiferer in den USA die Vergangenheit Hollywoods durchlüften: Humphrey Bogart sollte die Zigarette aus dem Mundwinkel wegretuschiert und Steve McQueen zur Abstinenz gezwungen werden. Der Furor der Prohibition erkaltet nie ganz in Amerika.

Immer mehr nikotinabhängige Verbraucher ziehen sich auf das Schnupfen und Priemen von Tabak zurück. R.J. Reynolds testet gerade einen Camel-Kautabak, der sich auflöst wie ein Bonbon. „Kein Passivrauchen mehr, kein Ausspucken, kein Dreck durch Kippen“, schwärmt Reynolds. Gefährlicher Unsinn, entgegnet das US-Gesundheitsministerium. Das Zeug erzeuge Sucht und Krebs wie seine dreckigen, stinkenden Produktbrüder.

About this publication