Google Takes Over Motorola Mobility: Hello Moto

<--

Googles Übernahme von Motorola ist ein Zeichen für Eskalation im Mobilfunksektor. Denn ob Mountain View nun eigene Handys baut, ist fraglich – in Wirklichkeit geht es um Patente.

Ein Job bei Standard & Poor’s heißt momentan, sich in der Welt nahezu täglich richtig unbeliebt zu machen. Kaum ist ein wenig Gras über die Herabstufung der amerikanischen Zahlungsfähigkeit gewachsen, empfahl man gestern, Google-Aktien von nun an lieber zu verkaufen. Der Grund? Googles zuvor noch gefeierte Übernahme von Motorolas Mobilfunksparte für 12,5 Milliarden Dollar.

Eine gehörige Stange Geld

Selbst für Google, das im vergangenen Jahr 8,5 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftete, sind 12,5 Milliarden Dollar eine große Menge Geld – daher stellte sich schnell die Frage, warum der Konzern so viel davon in die Hand nimmt. Man selbst gab sich vage: Die Übernahme sei dafür bestimmt, die Android-Plattform „voranzutreiben“.

Dabei ist Google eigentlich keine Hardwarefirma. Die Geschäftsidee des Unternehmens liegt bekanntlich in der Digitalisierung von Inhalten sowie deren Bündelung in der Cloud. Als Betriebssystem bietet Android nur einen Zugang dorthin – denn Benutzer verwenden Google-Dienste, sehen Reklame des Konzerns und werden so langfristig als Kunden gebunden. Aus dem Grund verteilt der Konzern diese Software kostenlos an begeisterte Mobilfunkunternehmen, die nach Erscheinen des iPhones ohne Gegenentwurf dastanden. Auch das ist natürlich ein Mittel zum Zweck – nämlich der Gewinnung von Usern für (kostenlose) Google-Dienste und damit Kunden für Reklame, mit der Google nahezu 98 Prozent seines Umsatzes generiert. Dass Android aufgrund seines teils offenen Quellcodes eine schöne neue Ära der Transparenz einleiten sollte, kann darüber nur teilweise hinwegtäuschen.

„And boy did we patent it“

Ich bezweifele daher stark, dass Google eine echte Motivation zur Produktion von Mobiltelefonen mitbringt. Der Konzern verdient sein Geld bereits vorzüglich mit dieser Strategie, welche prinzipiell eleganter ist als die Herstellung von Mobiltelefonen. Auch bisherige Ausflüge in diese Richtung, wie der Verkauf eines eigenen Telefons, waren ausdrückliche Versuche, der Welt eine „optimale Android-Erfahrung“ zu demonstrieren. Problematischerweise verschätzte man sich bei all dem Idealismus in Bezug auf die Nachfrage und fuhr das Projekt ziemlich eindeutig an die Wand. Das weiß auch die Rating-Agentur und zeigt mit dem Daumen nach unten.

Bei der Präsentation des ersten iPhones stand ein stolzer Steve Jobs auf der Bühne und verkündete, wie sehr man das Produkt in jeglicher Hinsicht patentiert hatte. Vier Jahre später zeigt ein Blick auf laufende Gerichtsverfahren einen Patentkrieg, der seinesgleichen sucht: Hier verklagt jeder jeden, und eine Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Die Übernahme von Motorolas Handysparte ist also ein strategischer Kauf, der wegen der Patente des Konzerns Sinn ergibt. Wenn Googles plötzlicher Kauf etwas zeigt, dann den immer tieferen Riss im amerikanischen Patentsystem. In diesem wurde so lange alles patentiert, was nicht bei drei auf den Bäumen war, dass Patente ihrer eigentlichen Rolle als Wahrer von Innovationen schon lange nicht mehr gerecht werden. Stattdessen werden sie im Gericht gebraucht, um gegen immer absurdere Verfahren zu umstrittenen Patentrechtsverletzungen zu bestehen. Dass Microsoft für jedes verkaufte Android-Handy momentan bis zu 12,50 Dollar Lizenzgebühren einfährt und damit mehr am Verkauf verdient als Google selbst, ist dabei erst der Anfang.

Wer kann es S&P schon übel nehmen?

Anfang des Monats warf ein leicht gequälter Timothy Geithner Standard & Poor’s vor, ihre Herabstufung beruhe auf einer „unglaublichen Ahnungslosigkeit über die amerikanische Fiskalmathematik“. Doch kann man auch ihre Bewertung von Google übel nehmen?

Die Rating-Agentur hatte nach den falschen Einschätzungen vor der Finanzkrise ziemlich an Glaubwürdigkeit eingebüßt und agiert nun deutlich vorsichtiger. So ist auch diese Einschätzung ein Weckruf: Hier wurde jemand herabgestuft, der nun mit einem kostenlosen Betriebssystem zunächst 12,5 Milliarden Dollar zurückverdienen muss und sich nebenbei mit seinen Wettbewerbern einen immer heißeren, absurderen Patentkrieg liefert. Und wenn sich an dem Patentsystem nichts ändert, ist Motorola letztendlich auch nur neuer Brennstoff für die kommenden Jahre.

About this publication