Republikaner attackieren Obama wegen Urlaubs
19. August 2011 19:07
Der Präsident macht zehn Tage Sommerurlaub auf der Atlantikinsel Martha’s Vineyard – Für die Republikaner ist er ein “pflichtvergessener Dauerurlauber”
Schon stempelt ihn die Opposition zum pflichtvergessenen Krisenmanager ab. Dabei sprechen die Fakten eine ganz andere Sprache.
Es gibt hohe Klippen, nette Eisdielen und traumhaft schöne Sandstrände. Überall findet man verwinkelte Greisler mit Atmosphäre, während man nach den Riesensupermärkten etwa der Walmart-Kette vergeblich sucht, denn die sind nicht erwünscht auf Martha’s Vineyard.
Im Küstenstädtchen Oak Bluffs dreht sich das angeblich älteste Karussell der Vereinigten Staaten von Amerika, außerdem lockt eine Ansammlung kunterbunt angestrichener viktorianischer Holzhäuser, die aussehen, als wären sie aus Lebkuchen gemacht, weshalb sie folgerichtig “Gingerbread Houses” heißen.
Im Hinterland wuchert auf sanftwelligen Hügeln wilder Wein – und überhaupt, stellenweise lässt Martha’s Vineyard eher ans Idyll der Toskana denken als an die Stereotype vom sturmumtosten Atlantik.
Ansonsten bietet die pittoreske Insel den Vorteil, dass sich die Einheimischen nicht gleich die Hälse nach berühmten Mitmenschen verrenken. Man hat sich längst an sie gewöhnt: Der Filmregisseur Spike Lee logiert hier ebenso gern wie Oprah Winfrey, die Grande Dame der Talkshows. Steven Spielberg drehte einst an den breiten Dünenstränden den Weißen Hai. Bill Clinton kam fast jedes Jahr, als er noch regierte. Und Barack Obama ist nun schon zum dritten Mal da.
Wie bereits zuvor entspannt er sich mit seiner Familie auf der Blue Heron Farm, der Farm der blauen Reiher, einem weitläufigen Anwesen im stillen Südwesten des Eilands unweit der Küste von Massachusetts. Sechs Zimmer in einer exklusiven Villa, Golfwiese, Basketballplatz, privater Zugang zum Strand – so ungefähr würde ein Reiseprospekt die illustre Anlage beschreiben. Sie gehört William Van Devender, einem Holzgroßhändler aus dem Südstaat Mississippi, der sie regelmäßig an betuchte Gäste vermietet. Eine Woche im Hochsommer kostet bis zu fünfzigtausend Dollar, was Obama aus eigener Tasche bezahlt – auch nicht ganz selbstverständlich im Weißen Haus.
“Dauerurlauber”
Dabei könnte man es belassen, auch amerikanische Präsidenten haben schließlich eine Auszeit verdient. Doch die Stimmung in Washington ist aufgeladen, an der New Yorker Wall Street warnt Morgan Stanley vor einem Rückfall in die Rezession, was die Republikaner zum Anlass nehmen, um Obama zum “pflichtvergessenen Dauerurlauber” abzustempeln, zu einer Art Krisenmanager auf Tauchstation. Prompt bietet ihre Parteizentrale Postkarten an, die der irritierte Joe Sixpack – der viel zitierte Otto Normalverbraucher mit dem Sechserpack Bier, im Schnitt zwei Wochen Auszeit im Jahr – doch bitte ins Feriendomizil schicken möge. Der Präsident auf dem Surfbrett, auf dem Rad, mit Golfschläger und Eisstanitzel, jedes Motiv versehen mit einem spöttischen Spruch, etwa: “Eine Surfwelle auf Martha’s Vineyard zu finden, das ist fast so schwer, wie einen Job zu finden.”
Er an Obamas Stelle würde sofort zurück ins Büro reisen, empfiehlt Mitt Romney, der konservative Ex-Gouverneur von Massachusetts, der sich Hoffnungen aufs Oval Office macht. “Wenn ich Präsident wäre, würde ich nicht zehn Tage auf Martha’s Vineyard bleiben.” Die Sache ist allerdings die, dass sich der Wahlkämpfer Romney jüngst so ausgiebig an einem ruhigen See in New Hampshire erholte, dass bissige Kommentatoren ihn bereits als vermisst melden wollten.
Fleißiger Obama
Nicht nur das, verglichen mit manchen seiner Amtskollegen, ist Obama eher ein Fleißarbeiter am wichtigsten Schreibtisch der Welt. Mark Knoller, ein CBS-Reporter, hat akribisch nachgerechnet: Während sich Ronald Reagan im August seines dritten Regierungsjahres bereits 112 Tage Verschnaufpause gegönnt hatte, sind es bei Obama gerade einmal 61 Tage. Einsamer Spitzenreiter in Sachen Urlaub ist und bleibt George W. Bush: Der hatte zum selben Zeitpunkt schon 180 erholsame Tage in Crawford verbracht, auf seiner texanischen Ranch. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2011)
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