Erdbeben
Das Beben an der Ostküste der USA brachte eine Debatte in Gang: Der Erdstoß überraschte die Experten
Plötzlich blinkten die Warnlämpchen. Die beiden Reaktoren schalteten sich ab, die Notstromgeneratoren sprangen an, wie es die Krisenpläne vorsehen. Seit Dienstag ist North Anna, ein AKW im Bundesstaat Virginia, nicht mehr am Netz. Ein Erdbeben, Stärke 5,8 nach Richter, hatte den Alarmzustand ausgelöst. North Anna liegt nur etwa 20 Kilometer entfernt vom Epizentrum, dem kleinen Dorf Mineral, das sonst nur durch Countrymusik und Bluegrass-Festivals von sich reden macht. Die Gefahr einer Kernschmelze habe nie bestanden, versichert ein Sprecher des Betreibers Dominion Resources.
Dienstagnachmittag hatte um 13.51 Uhr Ortszeit im Nordosten der USA die Erde gezittert. Knapp eine halbe Minute lang vibrierten Fußböden und Wände. Menschen kamen nicht zu Schaden. An der nationalen Kathedrale, dem bekanntesten Gotteshaus der Hauptstadt, brachen die Spitzen einiger Ziertürmchen ab. Das Washington Monument, der pfeilschlanke Obelisk mit seiner Aussichtsplattform, ist auf unbestimmte Zeit für Besucher geschlossen, nachdem Statiker im oberen Teil Risse entdeckten. In den meisten Schulen der Stadt fiel der Unterricht am Mittwoch aus. Etliche Ministerien blieben geschlossen. Ein Beben vergleichbarer Stärke hatte es in der Gegend zuletzt 1897 gegeben.
“Wir verstehen es nicht ganz”
Das Epizentrum liegt nicht an einer Bruchlinie zwischen zwei Platten. “Die Ursachen für Beben an der Ostküste verstehen wir noch immer nicht ganz”, bekennt Marcia McNutt, Direktorin der Geologiebehörde. Wahrscheinlich würden uralte Bruchlinien aktiviert aus einer Epoche, in der das Appalachengebirge entstand. Infolge des unerwarteten Erdstoßes kommt auch die Atomdebatte in Fahrt. 2007, als der Dominion-Konzern eine Lizenz für den Bau eines dritten Reaktors beantragte, berief er sich auf Studien, nach denen in der Zentralregion Virginias Beben stärker als 5,5 höchstens alle 10.000 Jahre denkbar seien. Kritiker stellen dies infrage.
In Peekskill am Hudson-Fluss, wo der Meiler Indian Point keine 70 Kilometer vom New Yorker Times Square entfernt Energie produziert, fühlt sich Paul Gallay von der Umweltorganisation Riverkeeper in seiner Skepsis bestärkt: “Wie viele Warnungen brauchen wir noch?” Erst vor drei Jahren haben Wissenschafter der Columbia University ihre seismografischen Prognosen fürs Hudson-Tal korrigiert. Bebt in Peekskill die Erde, können Werte bis zu 7,0 auf der Richterskala erreicht werden. Die Reaktoren am Indian Point wurden indes behördlich für sicher erklärt, weil sie Erdstöße bis zur Stärke von 6,1 aushalten.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.