Jobs schaffen oder untergehen
von Reymer Klüver
02.09.2011
Präsident Obama steht unter Druck: Die Amerikaner trauen ihm einfach nicht zu, das Land aus dem Tal der Tränen zu führen. Nur wenn er beweist, dass er die Konjunktur wiederbeleben kann, hat er eine Chance, wiedergewählt zu werden. Das Land schlittert in einen Wahlkampf, der nur ein Thema kennt.
Das hat es noch nie gegeben. Der Präsident der Vereinigten Staaten möchte vor dem Kongress reden, der Sprecher des Repräsentantenhauses aber lässt ihn wie einen vorlauten Petenten abblitzen. Barack Obama muss einen Tag warten, ehe er kommende Woche dem aus der Sommerpause zurückkehrenden US-Parlament seine Vorschläge unterbreiten darf, Amerikas Wirtschaft wieder auf die Beine zu verhelfen und die Arbeitslosigkeit zu senken.
Das Scharmützel um den Redetermin spricht Bände, zum einen über den politischen Umgang in den USA (der ist unanständig und brutal), zum anderen über Obamas beschädigte Autorität. Der Präsident wurde einmal mehr gnadenlos vorgeführt. Die Episode zeigt unmissverständlich, dass bereits ein gutes Jahr vor der eigentlichen Wahl Amerikas Präsidentschaftswahlkampf begonnen hat.
In ihm wird es nur ein Thema geben. Um einen vielzitierten Slogan zu bemühen, der einst Bill Clinton zum Erfolg verholfen hatte: “It’s the economy, stupid”. Der Zustand der US-Wirtschaft wird diese Wahl entscheiden. Der Kampf um die Schulden und gegen das Defizit, der vor dem Sommer Amerika und die Welt an den Rand einer Krise geführt hat, ist zwar nicht vergessen, aber nachrangig.
Bis zur Wahl wird es vor allem um eines gehen: Jobs. Nur wenn Obama beweisen kann, dass er Arbeitsplätze schafft und die Konjunktur in Schwung kommt, dann hat er eine Aussicht auf Wiederwahl. Sollte die Wirtschaft weiter dahindümpeln, werden die Amerikaner seinen republikanischen Herausforderer wählen, wer auch immer das sein mag. Obama hatte seine Chance, so wäre die schlichte Logik, er hat sie nicht genutzt. Nun muss ein anderer ran. Aus dieser Logik heraus wurde seinerzeit Clinton gewählt, so triumphierte Ronald Reagan über den unglückseligen Jimmy Carter.
Untergehen wie Carter
Wäre heute die Wahl, Obama würde wie Carter untergehen. Die miese Stimmung macht ihm zu schaffen. Der Präsident steckt – wie jener letzte Präsident der Demokraten, den die Wähler nach nur einer Amtszeit aus dem Weißen Haus verjagten – in einer schweren Vertrauenskrise: Die Amerikaner trauen Obama einfach nicht zu, das Land aus dem Tal der Tränen zu führen. Sie glauben nicht, dass er imstande ist, die nötigen politischen Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze gegen eine obstinate Opposition durchzusetzen.
Obama braucht also den Stimmungsumschwung. Deshalb ist er so bemüht, mit einem Job-Programm die Initiative zurückzugewinnen. Und die Republikaner werden alles tun, das zu verhindern. Obama verfolgt deshalb eine Doppelstrategie. Zunächst will er mit einer Vielzahl von Maßnahmen – von Steuergeschenken für Neueinstellungen bis zur Schulrenovierung – zeigen, dass er für Arbeitsplätze kämpft. Das ist auch der Grund, warum er einen Ökonomen zu seinem Chefberater bestellt hat, dessen Expertise in der Schaffung von Arbeitsplätzen liegt. Mit seiner Hilfe wird Obama den Republikanern im Kongress Vorschläge unterbreiten, die sie entweder selbst gefordert haben (Steuernachlässe), oder die sie gar nicht ablehnen können (Schulrenovierungen).
Sollte diese Strategie die Republikaner nicht ausreichend unter Druck setzen, kommt Phase zwei der Strategie: Wenn sich die Rechte weiter verweigert und mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus Obamas Gesetze ablehnt, dann wird Obama den Pranger auf den Marktplatz stellen. Den (entscheidenden) Wählern in der Mitte würde so demonstriert, dass der Präsident die Krise zu lösen versucht, während die Republikaner nur verhindern. Für diese Strategie gibt es ein historisches Vorbild: Vor mehr als einem halben Jahrhundert gelang dem demokratischen Präsidenten Harry Truman ein nicht erwarteter Wahlsieg. Er hatte die Verhinderungstaktik der Republikaner für die damalige Konjunkturflaute verantwortlich gemacht.
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