A Crime Without a Message

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Posted on September 13, 2011.

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Ein Verbrechen ohne Botschaft

Von Eric Frey

11. September 2011 19:53

Der 11. September bietet keine Lehren und gehört in die Geschichtsbücher verbannt

Ein erhabener und berührender Augenblick hätte das Gedenken an die Anschläge vom 11. September 2001 für Amerika werden sollen. Aber dem standen die massiven Sicherheitsvorkehrungen vor allem in New York entgegen, die von diffusen Terrorwarnungen ausgelöst worden waren und das anhaltende Gefühl der Verwundbarkeit zehn Jahre nach dem Ereignis unterstrichen.

Die Zeremonie am Ground Zero diente zwar der Einweihung der wunderbaren Gedenkstätte in den Fundamenten des ehemaligen World Trade Center. Aber überschattet wird dieser Ort von den neuen Bürotürmen, die sich bereits vor ihrer Fertigstellung als abschreckendes Beispiel missglückter Kommerzarchitektur entpuppen.

Auch von den Inhalten her war der zehnte Jahrestag von 9/11 ein ambivalenter Moment für die Nation. Wenig von dem, was man sich damals vom “Tag, der die Welt veränderte” , erwartet hatte, ist eingetroffen.

Die USA sind in einen Krieg mit mehreren Schauplätzen gezogen, aber sie haben ihn nicht gewonnen. Al-Kaida ist zwar geschwächt, und Osama Bin Laden wurde rechtzeitig für das Jubiläum zur Strecke gebracht. Aber der Irak und vor allem Afghanistan bleiben blutende Wunden, wie auch der jüngste Anschlag auf eine afghanische Nato-Basis zeigt. Gegenüber den heutigen Bedrohungen ist auch die stärkste Militärmacht recht hilflos.

Die Angst vor Terror und die Maßnahmen dagegen sind in diesen zehn Jahren zum Teil des Alltags geworden, vor allem im Flugverkehr. Aber die Verunsicherung, die die Amerikaner heute so stark spüren, bezieht sich mehr auf ihre Jobs und die prekäre wirtschaftliche Zukunft als auf die konkrete Furcht vor Bomben.

Nach dem 11. September bestand kurze Zeit die Hoffnung, dass die Tragödie die damals schon gespaltene Nation zusammenführen würde. Auch die hat sich nicht erfüllt. Selbst wenn Barack Obama und George W. Bush am Sonntag gemeinsam am Ground Zero standen, darf man nicht vergessen, wie sehr die Bush-Regierung mit ihrer Politik dazu beigetragen hat, das Land weiter zu polarisieren.

Und auch die anfängliche Gewissheit, dass dies ein Kampf zwischen Gut und Böse sei, ging spätestens nach den Folterbildern aus Abu Ghraib auch für viele Amerikaner verloren.

Und ebenso hat sich der Feind, der 2001 noch so klar sichtbar war, verflüchtigt. Bin Laden hat keine Weltbewegung zur Schaffung eines neues Kalifats geschaffen. Terror ist heute nur ein Aspekt des Aufruhrs in der islamischen Welt und hat vor allem seit dem Arabischen Frühling an politischer Bedeutung verloren. Die USA und ihr Verbündeter Israel bleiben zwar der Sündenbock für die Frustrationen in vielen dieser Länder. Aber weder findet der oft vorausgesagte “Kampf der Kulturen” statt, noch ist der radikale Islam zur geopolitischen Herausforderung für den Westen geworden.

Zurück bleibt die Erkenntnis, dass 9/11 zwar der blutigste Terrorakt der Geschichte war, aber letztlich ein großes Verbrechen ohne tiefere Botschaft, das keine wichtigen Lehren für die Nachwelt bereithält.

Tragödien eignen sich grundsätzlich nicht als Quelle von Geschichtsbewusstsein und Identität von Nationen, denn sie fördern politische Paranoia. Die USA haben diese Phase zum Glück schon überwunden. Für die Angehörigen bleibt der 11. September zwar stets lebendig, aber für das Land ist die Zeit gekommen, das Ereignis in die Geschichtsbücher zu verbannen. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2011

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