Der Zahlenmensch, der die Wende verspricht
Von Frank Herrmann
16. September 2011
Mitt Romney versucht sich als die vernünftige Option bei den amerikanischen Republikanern zu profilieren
Neulich in Pella, einer hübschen Kleinstadt in Iowa. Beim Landmaschinenbauer Vermeer rührt Mitt Romney die Werbetrommel, leiser, als man es sonst aus amerikanischen Wahlkämpfen kennt.
Um ein paar Tische sitzen 14 lokale Geschäftsleute, Fensterbauer, Lampenhersteller und Versicherungsmakler, die auf kleinen Aufklebern nur ihre Vornamen tragen: Bob, Diane, Dennis. Der Kandidat verspricht weniger Papierkram, niedrigere Kapital- und Unternehmenssteuern sowie größere Härte im Duell mit dem Rivalen China. “Wir handeln mit jedem, aber auf fairer Grundlage” , sagt Romney. “Und China stiehlt unsere Patente, während es zugleich unsere Exporte blockiert.”
Das ist es aber auch schon an Polemik. Die hemdsärmelige Runde mag keine Parolen. Sie möchte wissen, wie Romney ihn durchbrechen will, den amerikanischen Teufelskreis. Ein Klima der Verunsicherung lässt Konsumenten nur noch das Nötigste kaufen, die Betriebe wegen der schwachen Nachfrage keine neuen Leute einstellen, weshalb die Krisenstimmung nicht weicht, die Konsumenten jeden Cent dreimal umdrehen und die Nachfrage noch mehr schwächelt. Patentrezepte könne er auch nicht bieten, bekennt der Kandidat. Aber er habe 25 Jahre im Business verbracht, er wisse, wie die Uhr einer Volkswirtschaft ticke, und zwar nicht nur theoretisch. “Ich habe marode Unternehmen vor der Pleite gerettet. In vielen Fällen die Wende geschafft.” Das mit der Wende ist Romneys Standardsatz. Was ihm im Kleinen gelang, will er damit sagen, wird ihm bei America Incorporated gelingen.
Manager und Mormone
1984 gründete er Bain Capital, eine Investmentfirma, die sich darauf spezialisierte, weit verzweigte Konglomerate in kleinere Einheiten aufzuspalten, von denen manche untergingen und andere aufblühten. 2002 bewahrte er die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City vor einer Blamage. Seine mormonischen Glaubensbrüder hatten ihn eilends zum Cheforganisator bestellt, weil ein Chaos zu ordnen war. Als Gouverneur im liberalen Massachusetts setzte Romney die allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung durch, ein Vorbild für die spätere Gesundheitsreform Barack Obamas.
Dem 64-Jährigen fehlt das Charisma eines Obama. Er spricht zu schnell, verschluckt oft ganze Silben. Vor Wochen ließ er eine Gruppe Arbeitsloser in Florida kichernd wissen, dass auch er einen Job suche, nämlich den im Oval Office. Der Witz ging nach hinten los. Überhaupt, beim Smalltalk mit Wählern wirkt der Mann von der Sonnenseite des Lebens bisweilen grotesk unbeholfen. Er ist Zahlenmensch, kein Volkstribun. 2008 verlor er den parteiinternen Ausscheid gegen John McCain, weil der die Stimmung besser auffing, den Wunsch nach radikalem Bruch mit George W. Bush.
Nun aber wittert er seine Chance. Die Wahl 2012 wird ganz im Zeichen der Wirtschaft stehen, da hat er gute Karten. “Wäre es nicht schön, wenn jeder Politiker ein paar Jahre im Privatbusiness verbringen würde?” , fragt der Multimillionär. Der Seitenhieb richtet sich nicht nur gegen Obama. Gemeint ist auch Rick Perry, der Späteinsteiger, der das Feld der Konservativen von hinten aufgerollt hat und heute an der Spitze der Umfragen liegt.
Der Sohn eines texanischen Pachtbauern war Airforce-Pilot, ehe er in die Politik ging, erst zu den Demokraten, 1989 zu den Republikanern. Perry beerbte Bush als Gouverneur in Austin und wurde dreimal wiedergewählt. Im Sinne der Tea Party und der religiösen Rechten drischt er besonders rabiat auf die “Etablierten in Washington” ein. “Hören Sie auf, den Leuten Angst einzujagen” , kanzelt Romney den Parteifreund ab. Hier der Ideologe, dort der Macher mit Wall-Street-Biografie – so ließe sich das Duell auf eine Kurzformel bringen. In Pella fasst es Romney so zusammen: “Meine Spezialität: Probleme lösen.” (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2011)
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