Desperately Looking for a Candidate

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Präsidentschaftskandidat verzweifelt gesucht

Von Martin Klingst

1.10.201

Die Republikaner sind beliebt in den USA, finden aber keinen, der Präsident Obama gefährlich werden könnte. Auch die neue Hoffnung, Chris Christie, ist eigentlich keine.

Gäbe allein das Stimmungsbarometer den Ausschlag bei der US-Präsidentschaftswahl 2012, wären die Republikaner derzeit in einer komfortablen Lage.

Jeder fünfte Amerikaner ist arbeitslos oder unterbeschäftigt. Die Hauspreise fallen und fallen. Zweidrittel der Amerikaner meinen, ihr Land sei auf dem falschen Weg. Nur etwa 42 Prozent finden, der demokratische Präsident Barack Obama mache einen guten Job. Gute Aussichten also für einen Republikaner, ihn im nächsten Jahr aus dem Weißen Haus zu jagen.

Aber welcher republikanische Präsidentschaftskandidat hätte das Zeug dazu? Das weiß die Partei selber nicht und ist deshalb über diese Frage völlig zerstritten. Dabei fehlt es nicht an Bewerbern, acht Männer und eine Frau wetteifern derzeit um die republikanische Präsidentschaftskandidatur.

Doch nach Ansicht des Parteiestablishments – und wichtiger Geldgeber der Republikaner – ist niemand von ihnen wirklich geeignet. Darum wird alle fünf Minuten ein neuer Politiker gebeten, doch, bitte, bitte, seinen Hut in den Ring zu werfen. Das neueste Ziel der Begierde: New Jerseys 49jähriger Gouverneur Chris Christie.

Zu biegsam, zu rechts, zu libertär

Klar ist jedenfalls, dass keiner der bisherigen Bewerber auf ungeteilte Zustimmung trifft und größere Begeisterung hervorrufen könnte. Keinem von ihnen wird zugetraut, die verschiedenen Strömungen der Republikaner unter seinem Dach vereinen zu können.

Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, ist laut Umfragen zwar Favorit, aber ein äußerst unbeliebter. Vor allem in den Kreisen der rechten Tea-Party-Bewegung, doch ebenso darüber hinaus.

Vielen gilt Romney als zu biegsam und zu wetterwendisch. Zu elitär und zu wenig bodenständig. Er war für eine Gesundheitsreform bevor er dagegen war. Für ein moderates Abtreibungsgesetz und eine Einwanderungsreform, bevor er seine Meinung wieder änderte. Die Liste seines den jeweiligen Opportunitäten angepassten Gesinnungswandels ist ellenlang.

Michele Bachmann, die Kongressabgeordnete aus Minnesota, gilt vielen als zu rechts. Die Parteiführung fürchtet, mit ihr könne man nicht die politische Mitte und darum auch keine Wahl gewinnen.

Der libertäre Abgeordnete Ron Paul aus Texas hat zwar eine euphorische junge Anhängerschaft. Aber er bleibt ein Außenseiter. Sein empathisches Plädoyer für Amerikas Rückzug aus fast allen internationalen Verpflichtungen stößt bei vielen Republikanern auf energischen Widerstand.

Von Anfang an dabei ist auch Herman Cain, ein afroamerikanischer Unternehmer mit Predigerqualitäten und Sinn für Humor. Doch beschränkt sich seine politische Aussage auf “999”: neun Prozent Einkommenssteuer, neun Prozent Unternehmenssteuer, neun Prozent Umsatzsteuer!

Jon Huntsman, ehemaliger Gouverneur von Utah, Ex-Botschafter in China und erfolgreicher Unternehmer, könnte Obama bei der Präsidentschaftswahl vielleicht gefährlich werden. Doch in der Vorauswahl sind seine Chancen gering. Das Parteivolk findet ihn zu abgehoben und zu moderat. Huntsman kommt nicht recht aus den Startlöchern.

Newt Gingrich, Mitte der neunziger Jahre republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, scheint eher an der Werbung für seine Bücher und die Bücher seiner Frau interessiert zu sein, als an der Kandidatur. Irgendwie fehlt ihm die Ernsthaftigkeit.

Der bisher neueste Stern sinkt schon wieder

Das sind einige der Gründe, warum viele Republikaner nach anderen Kandidaten Ausschau halten. Vor allem nach einem, der in den Vorwahlen die einflussreichen Anhänger der rechten Tea Party ebenso umgarnen kann, wie die gemäßigten Republikaner. Und dem es gelingen könnte, in der entscheidenden Schlacht um das Weiße Haus auch die Wähler der politischen Mitte hinüberzuziehen. Chris Christie aus New Jersey ist derzeit der Favorit für diese Aufgabe.

Was nicht viel heißt. Vor wenigen Wochen noch war Rick Perry, der Gouverneur von Texas die große Hoffnung der Partei. Doch sein Stern ist inzwischen verblasst. Die Meinung wächst, dass auch mit ihm kein Staat zu machen sei.

Die Rechten sind von Perry enttäuscht, weil er als Gouverneur in Sachen Einwanderung eine äußerst pragmatische und unideologische Linie verfolgt. Kinder illegaler Immigranten dürfen in Texas auf Staatskosten das College besuchen.

Die Moderaten und das republikanische Establishment zweifeln an ihm, seit er sich als nicht besonders debattenfest erwiesen hat. In der letzten Kandidatenrunde fiel er vor allem durch seine Fahrigkeit, sein Gestotter und sein Unwissen auf.

Jetzt ist Chris Christie der neue Stern am republikanischen Firmament. Aber auch dieser würde schnell sinken, sollte der Gouverneur von New Jersey tatsächlich in den Ring steigen.

Zu dick für einen Präsidenten

Christie hat sich vor allem mit seiner Hartnäckigkeit gegenüber der Lehrergewerkschaft Anerkennung verschafft. Doch ist er viel zu kurz im Amt, um wirklich eine Bilanz ziehen zu können. Nur so viel ist klar: Christie gilt als dickköpfig, unstet und launisch. Und außerdem ist er übergewichtig. Mit Recht kann man ihn adipös nennen.

Nun sollte der Körperumfang nicht über die Gewichtigkeit eines Kandidaten entscheiden. Tut er am Ende aber doch. Denn Amerika hat der Fettleibigkeit den politischen Kampf angesagt.

Krankenkassen und Gesundheitsämter bezeichnen adipöse Menschen als das größte Gesundheits-, Kosten- und Sicherheitsrisiko der Zukunft. Michelle Obama, die First Lady, führt seit Jahren eine Kampagne gegen Fettleibigkeit und ungesundes Essen.

Chris Christie musste vor etlichen Wochen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wegen asthmatischen Atembeschwerden. Die Ärzte sagen, sein Übergewicht verstärke dieses Problem.

Seine gesundheitlichen Schwierigkeiten wären aus dem Wahlkampf nicht herauszuhalten. Schon jetzt sind sie Thema, bevor Christie sich überhaupt erklärt hat – und bevor man seine Politik auch nur in Umrissen unter die Lupe genommen hat.

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