Angriff auf Journalisten
Wie Steve Jobs einen FTD-Redakteur verhaute
Von Thomas Wendel
07.10.2011
Er war eine Legende und ließ kaum einen Journalisten an sich heran. FTD-Redakteur Thomas Wendel hat es versucht – und den harten Griff von Steve Jobs zu spüren bekommen. Ein Erfahrungsbericht.
Es war im September 2005. Ich saß mit anderen Journalisten in einem fensterlosen Raum auf dem Messegelände der französischen Hauptstadt und wartete auf Steve Jobs. Er hatte sich zur Eröffnung der europäischen Hausmesse Apple Expo angesagt – und gab dazu eine Pressekonferenz.
Der Hype um Jobs hatte längst mit voller Wucht eingesetzt. Der Apple-Gründer wollte in Paris den Startschuss für die Markteinführung des ersten iPod Nano für Europa geben. Wie immer stellte er sich mit seinem schwarzen Rolli auf die Bühne. Das waren sie aber auch schon, die erwartbaren Konstanten. Was folgte, passte so gar nicht zu der gängigen Apple-Standardpräsentation.
iPods fliegen durch den Raum
Da waren zunächst die Sitzgelegenheiten auf dem Podium: Schwarze Barhocker, so hoch, dass man fürchten musste, selbst die Tabledance-Tänzerinnen aus dem Pariser Pigalle würden auf ihnen das Gleichgewicht verlieren. Jobs schwang sich behände auf einen der Hocker. Dann flogen iPods durch die Luft: Quer durch den Raum warf Jobs die damals gläsernen Geräte um zu beweisen, dass sie selbst durch Weitwürfe nicht zum Zerbrechen gebracht werden könnten – anders, als es damals Tech-Blogs behaupteten.
Wofür andere Konzernchefs Trupps von Assistenten beschäftigen, das erledigte Jobs persönlich: Er erteilte das Wort. Er war es, der das Auditorium beobachtete, um Wortmeldungen zu registrieren. War eine der Mikrofonträgerinnen nicht binnen Sekunden bei einem der auserwählten Fragern, setzte der Apple-Chef vorne auf der Bühne bereits ein genervtes Gesicht auf. Ich fragte “Steve”, warum Apple die Herstellerland-Angabe auf seinen Produkten so auffällig abgeändert habe: Früher stand “Made in USA” drauf.
Inzwischen aber gab der Konzern die Herkunft seiner iPods und Macs mit “Designed in California. Assembled in China” an. Sei das Verschwinden von “USA” als eine politische Aussage gegen die Bush-Administration in Washington zu verstehen? Jobs wand sich geschickt: Es wäre ja wohl klar, dass “Kalifornien den besten Teil der USA” darstelle. Und: “Nächste Frage!”
“Bist du wahnsinnig?”
Vielleicht war es diese Frage, die in seinem Gedächtnis hängen geblieben ist, jedenfalls ließ er mich 20 Minuten später überraschend an sich heran, während er vor dem Medienpulk eigentlich schon flüchten wollte. Nachdem die Pressekonferenz geendet hatte und sich die Türen des Saales öffneten, verfolgten plötzlich Hunderte Journalisten und Fotografen Jobs. An einen Ausstellungsrundgang, den Jobs ursprünglich eingeplant hatte, war so nicht mehr zu denken. Stattdessen beschleunigten er und seine Entourage die Schritte, um schnell den nächsten Notausgang zu erreichen. Ich blieb Jobs dennoch dicht auf den Versen und fragte “Steve” aus drei Metern Entfernung, ob ich ihm wenigstens noch eine Frage stellen dürfe? Er blieb stehen. “Du hast die Computerindustrie revolutioniert, die Unterhaltungselektronik und nun die Musikindustrie. Was treibt dich an?” Jobs blaffte zurück: “Go away” und “Shut up”. Ich ließ nicht locker, dann griff er mir plötzlich fest an die Schulter, drehte mich um 180 Grad und trommelte mit seinen Händen auf meinem Rücken. Dann entkam er durch die Tiefgarage.
Apples Pressestab zeigte sich schockiert – weniger über “Steve” als vielmehr über den Journalisten: “Wie? Du hast ihm eine persönliche Frage gestellt? Bis du wahnsinnig? Du kannst froh sein, dass er dich nicht rausgeschmissen hat.” Das Sakko von damals hängt bis heute in meinem Schrank. Und die Antwort auf meine unbeantwortet gebliebene Frage meine ich inzwischen zu kennen: Er wollte seinem ewigen Rivalen Bill Gates noch beweisen, dass Apple bedeutender für die Welt sein wird als Microsoft. Wenn Sie mich fragen, dieses Ziel hat Steve Jobs erreicht.
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