.
Posted on October 10, 2011.
Ein Obama für die Republikaner
von Sabine Muscat
09.10.2011
Der schwarze Pizza-Unternehmer Herman Cain ist der neue Liebling der konservativen Rechten in den USA. Bis zur Präsidentschaftskandidatur ist es für den Außenseiter allerdings noch ein weiter Weg. von Sabine Muscat
Einen Moment lang fühlt es sich an wie eine Zeitreise ins Jahr 2008. “Yes, we can!”, schreit das Publikum wie aus seiner Kehle. “Yes, we can!” Als der Kandidat die Bühne betritt, hält es die wenigsten auf ihren Sitzen. Er ist schwarz, er ist dynamisch und er redet mit dem Pathos eines Baptistenpredigers. “Habe ich da gerade richtig gehört? Yes, we can?”, ruft er in die jubelnde Menge. Der Mann, der da oben steht, ist nicht Barack Obama. Es ist Herman Cain – die jüngste Sensation im Vorwahlkampf der Republikaner, die einen Präsidentschaftskandidaten suchen.
Der Mann, der in diesen Tagen unerwartet in den Umfragen nach oben klettert, hat, was seinen Rivalen fehlt: Humor und Charisma. “Die Leute fragen mich, warum ich mich für das Amt des Präsidenten bewerbe”, sagt er. Die Antwort sei einfach: “Weil ich Präsident sein will.” Die Zuhörer lachen und klatschen: Endlich einer, der sich nicht verstellt. “Amerika hat viele Probleme”, sagt der ehemalige Pizza-Unternehmer und ehrenamtliche Pastor aus Georgia schlicht. “Und ich bin ein Problemlöser.”
Mit Cains Auftritt steigt die gefühlte Temperatur in dem klimatisierten Ballraum des Omni Shoreham Hotels in Washington. Die 3000 Besucher des “Values Voter Summit” haben hier an diesem sonnigen Herbsttag schon viele Stunden verbracht. Sie haben bittere Klagen darüber gehört, wie Amerikas Freiheiten von heiratswütigen Schwulen und linksliberalen Richtern bedroht werden. In den Pausen haben sie Starbucks-Kaffee getrunken oder sich in den Gebetsraum zurückgezogen. Und sie haben darüber diskutiert, welcher Republikaner am ehesten das Zeug zum Präsidenten habe.
Das jährliche Treffen des sozialkonservativen Amerika ist ein Pflichttermin für jeden republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Für gemäßigtere Vertreter der Partei wie den Umfragenführer Mitt Romney ist es ein Balanceakt. Für Erzkonservative kann er über Alles oder Nichts entscheiden. Etwa für Rick Perry, den Gouverneur aus Texas, der noch vor Kurzem ein Star in diesen Kreisen war. Doch die verhaltene Reaktion des Publikums auf seine Rede zeigt, dass sein Stern im Sinken ist. Dieses Schicksal teilt er mit Michele Bachmann, die im Sommer die Basis entzückte, und dann in ein Umfragenloch stürzte. Sie wird am Freitag zwar herzlich beklatscht. Doch elektrisieren kann an diesem Tag nur einer: Herman Cain, der in einigen Umfragen bereits zu Romney aufschließt.
“9-9-9 heißt Jobs, Jobs, Jobs”
In einer Zeit, in der Berufspolitiker den Respekt vieler Wähler verloren haben, gibt Cain den Mann aus dem Volk. Den Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen, den konservativen Radio-Moderator und Freund der rechten Tea-Party-Bewegung, den pragmatischen Unternehmer.
Wer Godfather’s Pizza saniert hat, kann auch Amerika sanieren, suggeriert Cain. Etwa mit seinem 9-9-9-Plan: Er will die Wirtschaft stimulieren, indem er für alle Amerikaner die gleichen niedrigen Steuersätze einführen: 9 Prozent Einkommensteuer, 9 Prozent Unternehmenssteuer und 9 Prozent Konsumsteuer. “9-9-9”, sagt Cain. “Das heißt Jobs, Jobs, Jobs.”
Die Zuhörer wollen gar nicht mehr wissen, was der nächste Redner zu sagen hat. Die Kandidatur von Newt Gingrich, dem früheren Sprecher des Repräsentantenhauses, hat nie Fahrt aufgenommen. Draußen hält Herman Cain Hof und signiert sein neues Buch. Die Hotel-Lobby kann die Warteschlange kaum fassen.
Charles Kerchner ist als Erster dran, und Cain versieht seine Unterschrift mit dem Zusatz “Nummer eins”. Ob er an diesem Abend das ist, was Obama 2008 für die Demokraten war? “Mit einem Unterschied”, sagt Kerchner. “Cain braucht keinen Teleprompter.” Eine Anspielung auf Obamas Angewohnheit, seine Reden abzulesen. “Er rockt einfach”, schwärmt die pensionierte Lehrerin Grace Strong. “Ich würde gerne sehen, wie er in einer Debatte gegen Obama antritt.” Bis dahin ist es für den Außenseiter Cain ein weiter Weg. Die Parteispitze und Geldgeber scharen sich hinter Mitt Romney. Cain fehlen die Ressourcen und die Erfahrung, um mitzuhalten. Und er hat sich mit verbalen Entgleisungen geschadet, darunter das Versprechen, keinen Muslim in sein Kabinett aufzunehmen. Doch er hat offenbar auch viele gefunden, die an ihn glauben. Dazu zählt vor allem er selbst. “Das ist Herman Cain!”, heißt der Titel seines Buches. Der Untertitel lautet: “Meine Reise ins Weiße Haus”.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.