Es fing an mit der Zeltstadt in Tel Aviv, es ging weiter mit »Occupy Wall Street«, jetzt demonstrierten sie von Berlin bis Madrid. Wogegen? Gegen die »kapitalistische Diktatur«, die Banken, die EZB. Und gegen »Dagobert Fuck«. In Tel Aviv ging es noch konkret um hohe Mieten. Inzwischen herrscht ein weltweites Woodstock der Empörung, das seltsam diffus bleibt.
Fassbare Politik wie gegen Vietnam oder Irak ist das nicht, obwohl Politiker wie Gabriel und Obama alsogleich auf der Welle zu surfen versuchten; Aufmerksamkeit ist das höchste Gut des Andy-Warhol-Zeitalters (»15 Minuten Ruhm«). Der Protest ist das Programm, obwohl der Anlass sehr wohl greifbar ist. Die fünfzig fetten Jahre des Westens sind vorbei, der Große Crash hat höchst reale Ängste vor Abstieg und Zukunftsverlust gezeugt. Reale Politik hat einen realen Zweck, doch die Blockade der EZB ist Ersatzhandlung. Warum auf eine Institution losgehen, die noch halbwegs funktionsfähig ist? Wie würde Europa aussehen, wenn es sich allein auf seine Politiker verlassen müsste?
Die Banken verstaatlichen wie im Sowjetimperium? Das ist nicht nur an seinem übermächtigen Staat, sondern auch an seinem Vierte-Welt-Kapitalmarkt gescheitert. Auf einer ZEIT-Matinee fragte Joachim Gauck: »Wären unsere Einlagen wirklich sicherer, wenn unsere Politiker in der Finanzwirtschaft das Sagen hätten?« Am gierigsten (und dümmsten) haben die staatlichen Landesbanken bei den glitzernden Derivaten zugelangt; die private Deutsche Bank war etwas klüger. Die Finanzblase ist 2008 nicht nur wegen Gier & Exzess geplatzt. Denn es gibt es keine Blase ohne billiges Geld, und Geldmenge und Zinsen werden stets und überall vom Staat bestimmt. Die Kapitalisten nehmen, was sie kriegen können; der Staat aber gibt – wie in Spanien, wo staatlich protegierte Sparkassen die wildeste Spekulation finanziert haben.
Dito in Amerika, wo die Politik die staatsnahen Anstalten Fannie Mae und Freddie Mac gezwungen hatte, zahlungsschwache Kunden mit Hypotheken zu versorgen. Zum Schluss waren es 27 Millionen – die Hälfte aller Darlehen –, bei denen die Geldgeber nicht mehr auf Kreditwürdigkeit achteten: Hausbesitz für alle! Heute will Gabriel die Banken zerschlagen; brave Geschäfts- sollen nicht gleichzeitig zockende Investmentbanken sein. Nur: Aufgehoben wurde die Trennung in Amerika von einem guten Sozialdemokraten namens Bill Clinton.
Woher also der Glauben an den guten Staat und das böse Kapital? Dieses kann ohne jenen nicht die Exzesse pflegen – die Boni und die Bereicherung –, die zu Recht verdammt werden. Der Leichtsinn ist keiner, wenn der Staat bürgt. Machen wir deshalb kaputt, was uns kaputt macht? Dann kommt die Staatswirtschaft, die nicht einmal Gleichheit schafft, sondern nur Korruption und Macht für die Wenigen. Diese Wirtschaft gehört der Nomenklatura, nicht dem Volk.
Die Demokratie lässt sich korrigieren. Das ist das richtige Anliegen der Besetzer. Aber die Wellenreiter aus der Politik heucheln, wenn sie die Mitverantwortung des Staates vergessen machen. Surfen ist einfacher.
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