The Rivals

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Die Rivalen

Von Klaus-Dieter Frankenberger

21.11.2011

Das Engagement Obamas in Australien zeigt: Amerika trifft auf China. Es ist das Schlüsselverhältnis im 21. Jahrhundert.

Als Präsident Obama vor zwei Jahren China besuchte, warfen ihm die heimischen Kritiker Servilität und Unterwürfigkeit vor, die ihm die chinesische Führung überdies nicht gedankt hatte. Seither hat der Präsident, der viel Lehrgeld zahlen musste, in seiner Politik gegenüber dem sogenannten Reich der Mitte einen weiten Weg zurückgelegt, der dieser Tage – vorläufig – in Australien endete.

Vor dem Parlament in Canberra erhob Obama nicht nur den Anspruch auf eine Führungsrolle für die Vereinigten Staaten im asiatisch-pazifischen Raum; er kündigte auch die Ausweitung und Intensivierung der militärischen Präsenz in dieser Region an nach dem Motto: mehr Amerika im Allgemeinen, mehr amerikanisches Militär im Besonderen. Diese strategische Ausrichtung, einschließlich der Belebung und Kräftigung regionaler Bündnisse, ist von großer weltpolitischer Bedeutung.

Neben vielen Neben- hat sie einen Hauptadressaten: China. Vielen südost- und ostasiatischen Ländern, vor allem, aber nicht nur den Demokratien dort, ist der Aufstieg Chinas zur politisch-militärischen Großmacht und zur wirtschaftlichen Supermacht nicht geheuer. In der jüngeren Vergangenheit hat Peking das ohnehin latent vorhandene Misstrauen mit einer ziemlich ruppigen Interessenpolitik in der näheren und weiteren Nachbarschaft noch gesteigert – und den Wunsch nach einem steten amerikanischen Engagement nicht kleiner werden lassen.

Schlüsselverhältnis im 21. Jahrhundert

Die Führung in Peking reagiert auf die Ankündigung einer verstärkten amerikanischen Militärpräsenz, von der man fast den Eindruck hat, sie soll das Schlüsselelement künftiger amerikanischer Asien-Politik sein, auf erwartbar verdrießliche Weise. Einhegen lassen will sie sich nicht; Grenzen sollen der Ausweitung der chinesischen Interessensphäre nicht gezogen werden: nicht von den Vereinigten Staaten, nicht von deren Bündnispartnern, wie immer die Eindämmungsversuche im Einzelnen aussehen.

Dabei ist klar, dass die amerikanisch-chinesischen Beziehungen das Schlüsselverhältnis im 21. Jahrhundert sein werden. Die Vereinigten Staaten, die sich auf dem Höhepunkt ihrer politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Entfaltung nach dem Ende des Kalten Kriegs selbst als “unverzichtbare Macht” verstanden, treffen auf ein Land, das sich schon immer als dominante Nation begreift und dessen kommunistisches Regime einen beispiellosen und erfolgreichen Modernisierungskurs eingeschlagen hat.

Es ist geradezu zwingend, dass dieses Verhältnis, jenseits der ordnungspolitischen Grundverschiedenheit, von Rivalität geprägt ist; dass Zusammenarbeit und Eindämmung in der politischen Praxis nebeneinander existieren. Das ist eine Koexistenz auf hohem Niveau. Die Frage ist daher, ob diese Rivalität trotz ihrer kooperativen Elemente und ungeachtet der wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtung in offene Konfrontation umschlägt.

Wer das vorhersagt, hätte jedenfalls historische Beispiele auf seiner Seite. Der Aufstieg einer Nation war immer mit großer Unruhe verbunden; regelmäßig wurde das bestehende internationale oder regionale System aus den Angeln gehoben; von der militärischen Eskalation zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts hat sich Europa erst an dessen Ende wirklich erholt. Die Aussicht, dass es zu einem neuen kalten Krieg kommen könnte, diesmal im asiatisch-pazifischen Raum, ist daher höchst beunruhigend – und verstörend auch deshalb, weil China über ein weitaus attraktiveres Angebot verfügt, als es die Sowjetunion je machen konnte.

Amerika wird sich aus dem fiskalischen Schlamassel befreien

Amerika wird sich über kurz oder lang aus seinem fiskalischen Schlamassel befreien; die Regenerations- und Innovationskraft seiner Wirtschaft ist hoch. Doch wenn nicht morgen, so doch übermorgen wird die größte Volkswirtschaft der Welt ein nichtwestliches, nichtdemokratisches Land sein, eben China. Die Auseinandersetzung mit einer solchen Macht, die überdies in großen Zeiträumen denkt, ist etwas ganz anderes als der Konflikt mit dem Sowjetimperium, das im Innern das Gegenteil der Moderne war und den Wettbewerb mit dem Westen niemals bestehen konnte. Das trifft auf China so nicht zu.

Das bedeutet nicht, dass die Vereinigten Staaten nicht wachsam sein oder gar ihre Partner im Stich lassen sollten. Aber es lohnt sich, weiter zu versuchen, China in ein immer dichteres Geflecht internationaler und transnationaler (Wirtschafts-)Beziehungen einzuweben. Nur so, wenn überhaupt, ist seine regionale Dominanz zu erträglichen Kosten und auf nichtmilitärische Weise zu domestizieren.

Der asiatisch-pazifische Raum wird das Gravitationszentrum von Weltpolitik und globalisierter Wirtschaft in diesem Jahrhundert sein. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass diese Prognose eintritt, selbst wenn nicht alle Glitzerträume wahr werden und auch China noch gewaltige Erschütterungen erleben wird. Was immer von den Fanfarenstößen eines neuen pazifischen Zeitalters zu halten ist – Amerika, das immer pazifische Macht war, will in voller Breite dort Präsenz zeigen, dort, wo die Musik spielt. Ist das atlantische Zeitalter endgültig vorüber? Es liegt an den Europäern, ihren Partnern und Konkurrenten, das Gegenteil zu beweisen, so schwer das ihnen im Moment auch fallen mag.

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