California's Prisons Are Overflowing

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Kaliforniens Gefängnisse quellen über

Häftlinge werden hin und her geschoben, entlassen oder an den Kosten beteiligt

In einem Schlafsaal des California Institution for Men in Chino. (Bild: Keystone / AP)

Unter dem Druck eines Urteils des Obersten Gerichts schiebt Kaliforniens Strafvollzugsbehörde Häftlinge auf die Bezirksgefängnisse ab. Dort herrschen bald unhaltbare Zustände.

«Im Kittchen ist kein Zimmer frei», lautete der Titel einer französischen Komödie von 1959. Für die Behörden in Kalifornien ist dies aber bald Wirklichkeit, und ihnen ist dabei gar nicht zum Lachen zumute: Sowohl die Staats- als auch die Bezirksgefängnisse sind chronisch überbelegt, und für einen Ausbau ist kein Geld vorhanden. Im Mai dieses Jahres hatte der Oberste Gerichtshof der USA in einem Urteil festgestellt, dass die Unterbringung vieler Häftlinge in Kalifornien deren Menschenrechte verletze. Laut dem Gerichtsbeschluss muss der Gliedstaat die Zahl seiner Gefängnisinsassen innerhalb der nächsten zwei Jahre um 32 000 senken.

Problem nur verlagert

Geld hat Kalifornien nicht, und so wählte die Regierung die einfachste Lösung, nämlich die Gefangenen von den Staats- in die kleineren Bezirksgefängnisse zu verlegen, die vom Urteil nicht berührt sind. Künftig sollen alle Strafen für weniger schwere Verbrechen in den regionalen Haftanstalten verbüsst werden.

Das hat das Problem aber nur verlagert. Das Los Angeles County kündigte an, im Dezember keine Zellen mehr frei zu haben. Im Oktober hätten 600 Gefangene zusätzlich im Bezirksgefängnis Los Angeles ankommen sollen, tatsächlich aber waren es 900. Das berüchtigte Twin Towers Jail, mitten in der Chinatown von Los Angeles gelegen und mit 140 000 Quadratmetern das angeblich flächenmässig grösste Gefängnis der Welt, platzt mit rund 4500 Insassen aus allen Nähten. Auch im benachbarten Orange County wurden doppelt so viele Häftlinge eingeliefert wie erwartet. In Nordkalifornien hat ein Bezirk 50 Delinquenten, die gegen die Bewährungsauflagen verstossen hatten, sofort wieder auf freien Fuss gesetzt, weil es keine Pritsche mehr für sie gab. Unter ihnen sind notorische Diebe.

Die Enge führt zu schwierigen Verhältnissen. Besonders der Ruf des Gefängnisses von Los Angeles ist ramponiert. Die Bundespolizei FBI hat Ermittlungen aufgenommen, weil in den Jahren 2009 und 2010 Gefangene vom Aufsichtspersonal misshandelt worden waren. Etwa hundert Übergriffe, bei denen Insassen verletzt wurden, werden laut der «Los Angeles Times» in einem Bericht des FBI aufgezählt. Als erste Folge wurde nun Daniel Cruz, der das Gefängnis bis Ende 2010 geleitet hatte, von seinen Aufgaben entbunden.

Keine Gratisunterkunft mehr

Um den Notstand in den Gefängnissen abzuwenden, suchen jetzt alle Bezirke eilig nach Lösungen. Hausarrest oder elektronische Fussfesseln sind billiger als der Aufenthalt im Gefängnis, aber auch nicht unumstritten: Sandra Hutchens, Sheriff im Orange County, beklagt ein Dilemma: Einerseits wünsche die Bevölkerung, dass Kriminelle ihre volle Strafe verbüssten, anderseits wolle niemand Geld für neue Gefängnisse aufbringen.

In Riverside, eine Autostunde östlich von Los Angeles, kamen die Leiter auf eine besondere Idee. Künftig sollen die Häftlinge für Kost und Logis hinter Gittern 142 Dollar pro Tag zahlen. Dadurch will der Bezirk drei bis fünf Millionen Dollar im Jahr einnehmen, was Experten für abwegig halten, denn die meisten Gefangenen können sich nicht einmal einen Anwalt leisten. Man werde die Gebühr nur bei jenen erheben, die sie sich leisten könnten, heisst es. Das dürfte nur auf Wirtschaftsverbrecher oder Prominente wie Lindsay Lohan und Michael Jacksons Leibarzt Conrad Murray zutreffen. So gilt denn auch dieser Vorstoss nicht als richtungsweisend für den ganzen Staat.

Kürzere Strafen als Ausweg?

Die Alternative, die oft drastischen Strafen zu verringern, dürfte am Volkswillen scheitern, denn lange Haftstrafen für Verbrecher sind populär. Allein die Zahl derer, die eine lebenslange Gefängnisstrafe verbüssen, hat sich von 1984 bis heute vervierfacht. In Los Angeles erwägt Sheriff Lee Braca, mehr Verurteilte in Therapie- oder Erziehungsprogramme zu bringen, was wohl nicht der schlechteste Weg wäre. Immerhin denkt noch niemand über eine Massnahme nach, die in Texas seit April dieses Jahres Geld sparen soll: Dort bekommen die Häftlinge am Wochenende nicht mehr drei, sondern lediglich noch zwei Mahlzeiten.

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