Shoppen bis die Kreditkarte glüht
von Nils Rüdel
25.11.2011
Jobkrise? Unsichere Zukunft? Egal. Am heutigen „Black Friday“ kämpfen wieder Millionen Amerikaner um die größten Schnäppchen. Vom Erfolg der Saison hängt Wohl und Wehe der ganzen US-Wirtschaft ab.
Der Black Friday ist untrennbar mit dem Erntedankfest verbunden. Präsident Franklin Roosevelt wollte das Erntedankfest 1939 auf den dritten Donnerstag vorziehen, bekam aber Gegenwind aus dem Kongress. Schließlich einigte man sich auf den vierten Donnerstag. Roosevelt dachte ökonomisch: Er wollte das Weihnachtsgeschäft verlängern. Fotos:ap/dpa/Reuters
Washington. Die ersten Vorboten der heraufziehenden Schlacht kamen zu Beginn der Woche. Es war Montagnachmittag, als Tito Hernandez und Christine Orta auf den Parkplatz von Best Buy vorrückten und ihr Feldlager an der strategisch wichtigsten Stelle aufschlugen: neben dem Haupteingang. Von da an hatte der Feind, die erwarteten Tausenden anderen Kunden, praktisch schon verloren.
Das grau-grüne Zelt vor der Filiale des Elektronikriesen in St. Petersburg, Florida, war die Woche über eine kleine Medienattraktion. Was aussah wie „Occupy Best Buy“, war die ultimative Vorbereitung auf den heutigen „Black Friday“, den größten Schnäppchentag des Jahres in Amerika. Das junge Paar wollte unbedingt vor allen anderen die Abteilung mit den Flachbild-Fernsehern erreichen. „Ich interessiere mich für den 42-Zoller und den 55-Zoller“, sagte Orta im lokalen Fernsehen. Den 42er gibt es für schlanke 199,99 Dollar.
Zwar gilt es selbst für amerikanische Verhältnisse als verrückt, sich schon fünf Tage vor der großen Schlacht in Stellung zu bringen. Doch lange Schlangen vor den Ketten und Shopping Malls am Tag nach dem Thanksgiving-Fest haben Tradition. Der Black Friday leitet die heißeste Shopping-Saison des Jahres ein, Kunden kämpfen um irre Schnäppchen, und beim Einzelhandel klingeln die Kassen.
Trotz hoher Arbeitslosigkeit, unsicherer Lage und eines siechen Häusermarktes wollen die Amerikaner auch in diesem Jahr wieder einkaufen, bis die Kreditkarte glüht. Der Branchenverband National Retail Federation (NRF) rechnet mit einem kräftigen Plus: 74 Millionen Kunden sollen es in drei Tagen ab dem heutigen Freitag sein, rund ein Drittel aller Konsumenten und 27 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Weitere 77 Millionen wollen sich die Schnäppchen zumindest ansehen und dann spontan entscheiden.
Konsum ist König in Amerika
Überlebenswichtig für den Einzelhandel, er erzielt bis zu 40 Prozent seines Umsatzes zwischen Thanksgiving und Weihnachten. Für dieses Jahr rechnet die NRF mit Einnahmen von 466 Milliarden Dollar, einem Plus von 2,8 Prozent gegenüber 2010. Das ist weniger als die 5,2 Prozent Zugewinn von vergangenem Jahr, aber immerhin etwas mehr als das durchschnittliche Plus von 2,6 Prozent über zehn Jahre.
Alle Augen richten sich also auf heute, immerhin meist der umsatzstärkste Tag des Jahres. Es ist auch jener Tag, ab dem die Chefs der Handelsunternehmen hoffen dürfen, dass ihre Bilanzen von Rot auf Schwarz drehen, von Minus ins Plus. Daher soll auch der Name stammen.
Am Erfolg der Branche im Weihnachts-Shopping hängt sogar Wohl und Wehe der gesamten Volkswirtschaft ab. „Eine schwache Saison würde die Angst vor einer Rezession zurückbringen“, so Scott Hoyt, Handelsexperte bei der Ratingagentur Moody’s. „Eine starke Saison könnte dagegen solche Ängste zerstreuen.“ Denn in diesem Fall würden die Unternehmen mehr einstellen – was wiederum der restlichen Volkswirtschaft hilft. Der Konsum ist in Amerika König: Rund zwei Drittel trägt er zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Um dem Erfolg noch ein bisschen nachzuhelfen, haben einige Ketten in diesem Jahr ein Tabu gebrochen: Sie öffneten ihr Läden bereits am Donnerstag, dem Thanksgiving-Tag. Eigentlich gilt am Erntedankfest landesweite Ruhe – die Amerikaner sind traditionell zu Hause bei ihren Familien, essen Truthahn und schauen Football. Doch Wal Mart, Best Buy, Macy’s und manche Einkaufszentren konnten es nicht erwarten.
Den Protest von Gewerkschaften, die die Beschäftigten um ihre Feiertagsruhe betrogen sehen, bügelte die Branche ab. Schließlich müssten die Menschen in vielen Branchen seit jeher an Thanksgiving arbeiten, etwa in Drogerien oder einzelnen Lebensmittelgeschäften, so der die NRF. Angesichts des deprimierenden Job-Marktes haben die Mitarbeiter und die bis zu 500.000 zusätzlich angeheuerten Aushilfskräfte auch nicht gerade die beste Verhandlungsposition.
Schnäppchenjäger trampeln Türsteher tot
Und so stehen sie vielerorts seit Donnerstagabend an der Kasse, den Truthahn noch nicht verdaut, während um sie herum die traditionelle Schlacht tobt. Die Schnäppchenjäger konnten sich schon zuvor dafür rüsten, denn Wal Wart etwa hatte Lagepläne herausgegeben, wo im Laden sich welche Angebote finden. Das spart wertvolle Sekunden und vermeidet vielleicht den ein oder anderen Zusammenstoß.
Denn die Schlacht um die Schnäppchen geht schon mal tödlich aus.
Es war am Black Friday vor drei Jahren in einer Wal-Mart-Filiale nahe New York, als ein Sicherheitsmann ums Leben kam, kurz nachdem er morgens die Tür geöffnet hatte. Der 34-jährige „Jimbo“, knapp zwei Meter groß mit der Figur eines Football-Spielers, wurde von den hereinschwappenden Doorbustern einfach niedergetrampelt.
Wer sich das Gedrängel nicht antun will, hat allerdings durchaus die Möglichkeit, der Hölle zu entgehen. Auf den Black Friday folgt am kommenden Montag der „Cyber Monday“, der Tag, ab dem es viele Knaller online zu kaufen gibt. Oder man hält sich an die Schnäppchen-Experten, die zu Geduld raten. „Die Tage mit den wenigsten Kunden und noch besseren Angeboten kommen erst nach Thanksgiving“, heißt es bei der Beratungsfirma Shopper Trak. Schließlich bleibe vom Wochenende eine Menge übrig. Der Haken: Man sollte es nicht auf ein bestimmtes Produkt abgesehen haben.
Für Tito Hernandez und Christine Orta in ihrem Zelt ist deshalb Warten keine Option. Sonst fällt der Fernseher an den Feind.
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