Rankünenspiel am Tigris
Von THOMAS SEIFERT (Die Presse)
21.12.2011
Nach dem US-Abzug aus dem Irak streiten Sunnis und Schiiten in der Regierung.
Das hat man sich in Washington wohl anders vorgestellt: Kaum ist der letzte Soldat aus dem Irak abgezogen, droht die Regierung in Bagdad zu zerbrechen. Rund 1.000.000.000.000 Dollar (eine Billion) haben die USA im Irak ausgegeben: Institutionen wurden aufgebaut, die Armee des Landes hochgerüstet, die größte US-Botschaft errichtet.
Doch die Regierung in Bagdad – oder besser Premier Nouri al-Maliki – hat sich in den vergangenen Wochen in einer politischen Säuberungswelle seiner politischen Gegner entledigt. Nun macht Maliki selbst vor seinem bisherigen Koalitionspartner Tarek al-Hashemi (von der Iraqiya-Partei) nicht mehr halt.
Hashemi, ein moderater Sunni, der auch in den schwierigen Zeiten des Bürgerkriegs zwischen Schiiten und Sunniten zwischen beiden Konfliktparteien vermittelt hat, wird bezichtigt, Drahtzieher mehrerer Auftragsmorde gewesen zu sein.
Die politische Führung ist gelähmt: Al-Maliki wird den politischen Eliten – auch seinen Verbündeten – unheimlich, er hat seinen Machtbereich stetig ausgebaut. Die Sunniten hoffen nun auf Vermittlung durch Präsident Massoud Barzani. Er ist Kurde, und ihm wird zugetraut, beide Seiten zusammenzubringen.
Doch das Land steht vor einer Spaltung: Die Kurden haben sich längst ihr eigenes kleines Reich im Norden geschaffen und wollen mit der Regierung in Bagdad möglichst wenig zu tun haben. Die Schiiten blicken nach dem Abzug der Amerikaner nach Teheran, die Sunnis auf ihre arabischen Nachbarn.
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 21.12.2011)
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