And Obama Gets the Last Laugh

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Und zuletzt lacht Obama

von Josef Joffe

22.12.2011

Vor der US-Präsidentschaftswahl stehen alle Zeichen gegen den amtierenden Barack Obama. Doch seine republikanischen Kontrahenten können daraus kein Kapital schlagen. So könnte Obama zum unverdienten Wahlsieger werden.

Eigentlich müssten die Amerikaner Barack Obama in zehn Monaten aus dem Weißen Haus verjagen. Aber die Wette gilt, dass der Präsident eine zweite Amtszeit schaffen wird. Wie ist das möglich?

Beginnen wir mit den schlechten Nachrichten. Die klassischen Indikatoren weissagen, dass Obama ein „one-term president“ sein wird wie einst Jimmy Carter, der in einer ähnlichen Situation – miese Wirtschaftslage, außenpolitische Verluste – 1980 haushoch gegen den Republikaner Ronald Reagan verlor. Die Hälfte des Wahlvolks gibt Obama schlechte Zensuren für seine Amtsführung – Tendenz steigend. Historisch gesehen, ist diese Quote ein übles Menetekel. Schlimmer noch: Mehr als 70 Prozent sehen das Land auf dem falschen Weg; dass es der richtige sei, glaubt weniger als ein Viertel.

Und jetzt die Überraschung. Nachdem die Republikaner mit allen möglichen Kandidaten geflirtet haben – mit der Rechtsauslegerin Michele Bachmann, mit Konservativen wie Rick Perry und Herman Cain –, bleiben nur noch zwei im Rennen: Mitt Romney und Newt Gingrich. Doch Obama liegt in den Umfragen vor beiden: knapp vor Romney, dem Ex-Gouverneur von Massachusetts, und mit acht Prozentpunkten vor dem ehemaligen Sprecher des Unterhauses, Newt Gingrich.

Das Paradox schreit nach Erklärung. Die Stimmung ist mies, die Wirtschaft liegt am Boden, und dies seit Anbeginn der Obama-Regentschaft 2009. Das Defizit klafft, die Staatsschuld wächst, die Arbeitslosigkeit rührt sich kaum vom Fleck. Alle Daten summieren sich zur kommenden Niederlage von Obama, und doch schwimmt der gegenüber Romney und Gingrich obenauf.

Das „Warum?“ hängt an den beiden Personen. Ganz knapp: Romney, der Mann der Mitte, der gerade mal einen Punkt hinter dem Präsidenten liegt, hätte eine echte Chance, aber er begeistert die Basis nicht; deshalb haben die Republikaner in den letzten Monaten so verzweifelt nach einem anderen gesucht. Der neue Shootingstar Gingrich, der sein Herz auf dem richtigen, das heißt rechten, Fleck trägt, ist gut für die Seele der Stammwähler, verschreckt aber das Wahlvolk. Parteienpolarisierung hin oder her, der Schwerpunkt der Wählerschaft bleibt fest in der Mitte einbetoniert.

Genauer: Die alles entscheidenden Wechselwähler – „independents“ genannt – mögen Gingrich nicht: zu radikal seine Sprüche, zu irrlichternd seine Meinungen. Die Hälfte der Wechselwähler optiert denn auch für Obama, für Gingrich tut das gerade mal ein Viertel. Warum diese rätselhaften Independents so wichtig sind? Sie haben sich 2008 für Obama entschieden, in den Kongresswahlen von 2010 aber für die Republikaner. Sie werden auch den Wahlausgang von 2012 bestimmen, und ihre Zahl wächst, wie die jüngste Analyse des „Third Way“, einer Gruppierung moderater Demokraten, zu berichten weiß.

Der Hoffnungsträger lässt das Parteivolk kalt

Was Wunder, dass das republikanische Establishment nicht gerade frohgemut auf den November starrt. Der Mann, Romney, der gegen Obama gewinnen könnte, der bei den Independents sogar knapp vor dem Präsidenten liegt, lässt das Parteivolk kalt. Gingrich aber, der das Herz der Basis erwärmt, liegt in den Umfragen dezidiert hinter Obama, von den Wechselwählern, wo es noch schlimmer ist, ganz zu schweigen.

Wer der Partei gefällt (Gingrich), stößt das Wahlvolk ab; wer Obama schlagen könnte (Romney), kann die Truppe nicht mobilisieren. Und Mobilisierung ist am Wahltag alles: Welche Partei schafft es, die meisten Getreuen an die Wahlurne zu holen? Als ich einen Granden der Republikaner fragte, wie ein Romney die Stammwähler aus der Reserve locken könnte, antwortete der: „No problem. Unser bester Einpeitscher ist Obama. Unsere Leute sind so verbittert, dass sie auch Romney schlucken werden.“

Die Meinungsumfragen geben solche Frohbotschaft noch nicht her. Gingrich stößt die Mitte ab, und Romney zieht die Rechte nicht so an. Das ist die kurze Moral, aber die Geschichte geht noch weiter. Die Wirtschaft, einer der besten politischen Frühindikatoren überhaupt, beginnt sich aufzuhellen. Derweil in Europa die zweite Rezession droht, zeigt Amerika wieder Wachstum – zwei Prozent werden es im nächsten Jahr wohl sein. Ganz langsam beginnt auch die Arbeitslosigkeit abzuschmelzen. Die Banken werden etwas großzügiger bei der Kreditvergabe. Entscheidend im Wahljahr aber sind nicht die absoluten Zahlen der Wirtschaftsstatistik, sondern die Trendlinien. Die zeigen, wenn auch noch zögerlich, nach oben.

Nehmen wir die Arbeitslosigkeit. Auf dem Höhepunkt der Krise lag sie bei 9,1 Prozent. Jetzt liegt sie knapp unter neun. Lass sie im November auf unter acht Prozent sinken, und Obama kann sich als strahlender Bezwinger der Dauerrezession präsentieren. Deshalb gilt die Wette: Schwache Gegner plus aufhellende Wirtschaft sind gleich vier weitere Jahre für einen Präsidenten, der die Wiederwahl eigentlich nicht verdient. (Alle Angaben, wie immer, ohne Gewähr.)

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