Iran Has No Interest in a Stable Iraq

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Teheran hat kein Interesse an einem stabilen Irak

Die inneren Verhältnisse im Zweistromland sind nach dem US-Truppenabzug nur scheinbar beruhigt. Der Iran lauert auf seine Chance.

Ob die Bilder vom Rückzug der amerikanischen Streitmacht aus dem Irak zu den guten Nachrichten gehören oder zu den schlechten, ist noch lange nicht ausgemacht. Die Iraker dürften gemischte Gefühle hegen, die Revolutionsgarden im benachbarten Iran einen Sieg verbuchen.

Steigende Haushaltsdefizite und Wahlkampf bestimmen die strategische Agenda der USA. Die Folge ist eine Wende ins Unbekannte zu einer Zeit, da der Nahe Osten und Nordafrika ohnehin wenig Gewissheiten bieten außer der Aussicht, dass nichts mehr sein wird wie gewohnt, dass die sozial-religiösen Revolutionen sich längst nicht ausgetobt haben und dass die einzige ernsthafte Gegenmacht zum erstarkenden Iran die USA sind, mit Flottenmacht und Basis in Bahrain und im Fall der Fälle im Verein mit den israelischen Streitkräften.

“Ein Hornissennest arabischer Stämme”

Das Zweistromland, das die Briten in der Mandatszeit zwischen den Weltkriegen Irak nannten, liegt nicht am Rand der arabischen Welt. Der Irak ist Herzland des fruchtbaren Halbmonds, für den Ölmarkt ein gewaltiges Reservoir und Schauplatz des Ringens um Hegemonie zwischen Teheran und Washington. Die inneren Verhältnisse sind nur scheinbar beruhigt. Noch immer gilt das warnende Wort des britischen Premiers Asquith aus dem frühen 20.Jahrhundert: “Ein Hornissennest arabischer Stämme.”

Man hält sich besser fern – wenn man nur wüsste, wie. Die Geschichte des Machtkampfs zwischen den USA und dem Iran wird durch drei Kriege bestimmt: den Iran-Irak-Krieg nach der Landung des Ayatollah Khomeini, der 1979 die Brandfackel ins islamische Haus warf; den Golfkrieg 1990/91, den die westlich-arabische Koalition gegen Saddam Hussein binnen einhundert Stunden gewann; und die amerikanisch-britische Invasion von 2003, die militärisch ein Erfolg war und doch in der strategischen Niederlage enden kann.

Dass die Amerikaner ein stabiles Land hinterlassen, im Frieden mit sich selbst, abwehrbereit gegen den Iran und verbündet mit den USA, ist eine schwache Hoffnung. In Teheran erstrebt man von allem das Gegenteil, mit wachsendem Erfolg. Der Iran nutzt seine sozial-religiösen Netzwerke, Patronage, Hilfsgelder und Militärhilfe an geistesverwandte Faktionen jenseits der unkontrollierbaren Grenze.

Die größte Gefahr besteht heute darin, dass den Iranern ihr Sieg zu Kopf steigt und sie ihre Atomrüstung ungebremst weitertreiben. Dann kommt der Moment schicksalhafter Entscheidung: leben mit der iranischen Bombe oder den Iran bomben – mit weltpolitischen Folgen.

Der Autor ist Historiker und Chefkorrespondent der “Welt”-Gruppe.

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