Trotz ist nicht Trumpf bei der Präsidentschaftswahl
von Sabine Muscat
02.01.2012
Die US-Republikaner haben gute Gründe, mit frischem Mut ins Präsidentschaftswahljahr zu gehen. Allen Konjunkturausgaben zum Trotz liegt die Arbeitslosigkeit beharrlich über acht Prozent, der Immobilienmarkt leidet weiter, und die Wirtschaft wächst weiterhin schwach. Zugleich klafft ein riesiges schwarzes Loch in der Haushaltskasse, und auf der Bilanz türmen sich die Schulden. Bei der Kongresswahl im Herbst 2010 hat die Opposition den Demokraten einen ordentlichen Denkzettel verpasst.
Präsident Barack Obama, so könnte man meinen, wird sich 2012 selbst demontieren, ganz egal wer sein Gegner ist.
Das dachten offenbar auch die Republikaner – und aus Mut wurde Übermut. Die Folge: Sie haben es geschafft, sich noch unbeliebter zu machen als Obama. Ihre Präsidentschaftsanwärter überbieten einander mit Populismus am rechten Rand. In Anbetracht des bizarren Kandidatenfelds dürfte sich so mancher moderate Wähler bereits mit Grausen abgewendet haben.
Auch im Kongress hat die Partei jeglichen guten Willen verspielt. Viele Abgeordnete haben die Protestwahl 2010 als Mandat für eine Radikalopposition im Sinne der Tea-Party-Bewegung missverstanden – mit dem Ergebnis, dass Obamas Umfragewerte am Jahresende erstmals wieder Aufwind bekamen. 2011 war für die Republikaner ein verplempertes Jahr.
Eine Chance wird die Partei im November nur haben, falls sie so bald wie möglich zu Vernunft und Mittelmaß zurückkehrt. Für die Vorwahlen, die am 3. Januar beginnen, heißt das: Die Mitglieder müssen sich zügig für Mitt Romney entscheiden und ihre rechtsextreme Trotzphase abschließen.
Romney ist zwar kein Traumkandidat. Er hat seine Positionen so oft gewechselt wie andere ihre Krawatten. Aber eines zumindest ist klar: Der Mann hat etwas auf dem Kasten. Er hat sich als Gouverneur von Massachusetts und in der Privatwirtschaft bewiesen – und er ist viel zu nüchtern und analytisch, um dem Radikalismus zu verfallen.
Auch Charisma hat Romney nicht. Aber für seine Partei ist das vielleicht besser so. Denn schillernde Figuren mit großem Ego und wenig Sachverstand – vom Medienmogul Donald Trump, der im Frühsommer eine Kandidatur erwog, bis zum früheren Pizzaunternehmer Herman Cain, der im Herbst in den Umfragen glänzte – haben die Partei in ein schlechtes Licht gerückt. Das Gleiche gilt für Ron Paul, der aktuell die Wut der Tea-Party-Bewegung in Iowa kanalisiert. Paul will mehrere Ministerien und die Zentralbank Federal Reserve abschaffen und die Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten in internationalen Organisationen beenden. Aber am Ende werden die Wähler einen Gestalter wollen, keinen Zerstörer.
Entscheidendes Jahr für Amerikas Konservative
Mit der Wut ist es überhaupt so eine Sache. Irgendwann einmal ist sie aufgebraucht. Irgendwann geht es der Wirtschaft wieder besser, und die Menschen sind erschöpft vom Demonstrieren und kehren in ihren Alltag zurück. Die Tea-Party-Bewegung hat eine wichtige Funktion eingenommen. Sie hat die Alarmglocken geläutet und die Probleme benannt, die hohe Defizite und Schulden für künftige Generationen in Amerika bedeuten. Sie hat beiden Parteien den Spiegel vorgehalten. Was das Land nun braucht, sind Experten, die mögliche Lösungen durchrechnen. Und Politiker, die die Fähigkeit besitzen, Mehrheiten zu schmieden.
Bei vielen ist die Botschaft längst angekommen. Bei der sogenannten Sechserbande aus drei Republikanern und drei Demokraten etwa, die sich im Senat um eine überparteiliche Lösung im Haushaltsstreit bemühte. Doch diese Stimmen werden übertönt vom Geschrei der Fundamentalisten am rechten und am linken Rand. Vor allem die sturen Tea-Party-Vertreter, die 2010 in den Kongress eingezogen sind, haben bei ihrem Marsch durch die Institutionen versagt. Über ihrer blinden Fundamentalopposition vergessen sie, dass selbst die von ihnen so oft beschworenen Gründungsväter Amerikas Kompromisse eingehen mussten.
Romney wird oft vorgehalten, dass er ein Unternehmensberatertyp ohne echte Überzeugungen sei. Das könnte ein Segen für die Republikaner sein, solange sie ihn nicht in eine rechte Ecke treiben, aus der er nicht mehr herauskommt. Je länger der Vorwahlkampf dauert, desto größer wird diese Gefahr. Je früher dagegen der echte Wahlkampf beginnt, desto eher kann Romney mit Obama darüber diskutieren, wie das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft aussehen soll, wie viel Militär sich das Land künftig leisten kann und wie die USA ihre künftige wirtschaftliche und wissenschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern können.
Das könnte eine interessante Debatte zwischen zwei hoch gebildeten und klugen Kontrahenten werden. Ob sie den Republikanern zum Sieg verhilft, sei dahingestellt. Denn am Ende könnte sich herausstellen, dass der ideologische Graben zwischen den beiden Bewerbern nicht so tief ist, wie es manche Hardliner gern sähen. Das Risiko jedoch muss die Partei eingehen, wenn sie langfristig ernst genommen werden will.
2012 wird ein entscheidendes Jahr für Amerikas Konservative. Sie müssen zeigen, dass sie nicht nur Krach schlagen, sondern auch Lösungen anbieten können. Sonst schaden sie sich selbst, egal, wie gut oder schlecht Obama im November dasteht.
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