Mit der ersten Vorwahl in Iowa ist der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern in seine wichtige Phase eingetreten. Und das Ergebnis zeigt, wie zerrissen die Partei; ja wie unsicher die konservative Bewegung in Amerika ihrer eigenen Identität ist.
Da gibt es den klassisch-pragmatischen, wirtschaftsnahen Zweig, verkörpert von Mitt Romney, der einen hauchdünnen Sieg davontrug, der aber keine Begeisterung auslöst und als der moderateste der Kandidaten (und weil er Mormone ist) vom sozial-konservativen Spektrum argwöhnisch beobachtet wird. Dieses christliche, erzkonservative Milieu wird am ehesten von Rick Santorum bedient, dem überraschenden zweiten der Vorwahl in Iowa, der mit erstaunlich wenig Geld der gut geölten Wahlkampfmaschine Romneys ebenbürtig war. Und dann ist da noch der libertäre Ron Paul, der ebenfalls ein überraschend gutes Ergebnis einfuhr. Er steht für die antistaatlichen, radikal freiheitlichen Impulse Amerikas und für jede Menge populistischer Reflexe. Gleichzeitig ist er der Kandidat, den man am meisten fürchten muss. Weil er zur Verschwörungstheorien neigt und in der Außenpolitik eine Art von Isolationismus vertritt, die man eigentlich nur als sehr seltsam bezeichnen kann. Ron Paul jedenfalls wäre in vielerlei Hinsicht ein radikaler Bruch mit vielem, woran Republikaner bisher geglaubt haben, etwa die außergewöhnliche Rolle Amerikas in der Welt.
Die gute Nachricht von Iowa ist, dass in dem sozial sehr konservativen und wenig gemischten Staat der moderate Romney trotzdem gewinnen konnte. Er hat also gute Aussichten in weniger konservativen Staaten noch bessere Ergebnisse einzufahren und hätte als Mann der Mitte auch die besten Chancen, gegen Barack Obama zu bestehen. Dessen Wahlkampfstab hat sich deshalb schon jetzt auf Romney eingeschossen.
Die schlechte Nachricht ist, dass die freiheitlichen Impulse der Tea-Party-Bewegung nun vor allem der „wild card“ Ron Paul zugute kommen zu scheinen, dessen sektiererisches Weltbild und dessen Radikalismus einen erschaudern lässt wenn man sich vorstellt, er könnte tatsächlich als Präsidentschaftsbewerber der Republikaner ins Rennen gehen. Das Phänomen Paul zeigt, dass es ein unheimliches Wutpotenzial über die herrschenden Verhältnisse in Amerika gibt, das sich auch auf unvorhergesehene und überraschende Weise politisch entladen könnte.
Es ist eine Wut die sich vor allem daraus nährt, dass der klassische Mittelklassetraum vom Aufstieg in Amerika sich gerade zu zerschlagen droht. Selbst gut ausgebildete junge Amerikaner haben heute große Probleme, einen auch nur annähernd ihrer Bildung entsprechenden Job zu bekommen. Und die anhaltende Wirtschaftskrise lässt selbst bei denjenigen, die noch eine Arbeit haben, die Einkommen stagnieren. Viele Bürger haben gleichzeitig das Gefühl, dass die Eliten in Wirtschaft und Politik, die diese Misere mit zu verantworten haben, nicht wirklich mit denselben Schmerzen konfrontiert sind wie “Middle America”.
Dazu kommt, dass Amerika inzwischen längst nicht mehr das Land der Möglichkeiten und des sozialen Aufstiegs ist. Fünf große Studien haben in den vergangenen Jahren herausgefunden, dass soziale Aufstiegschancen inzwischen in vielen europäischen Ländern höher sind als in den USA. Amerikas Reiche stammen zu einem größeren Teil als anderswo in der entwickelten Welt aus Familien, die schon ein hohes Einkommen haben. Auf diese niederschmetternde Widerlegung des American Dream haben aber weder Romney noch Paul oder Santorum eine zufriedenstellende Antwort. Wie man in Amerika größere Chancengleichheit beim Start ins Leben herstellen kann ist nun gerade kein klassisches rebublikanisches Thema.
Die Wahl in Iowa zeigt, dass die Konservativen in Amerika offenbar nicht genau wissen, was sie sein wollen: Kulturkämpfer? Isolationisten? Moralisten? Wirtschaftsnahe? Anti-Establishment-Populisten? Deshalb ist diese Vorwahlsaison bei den Republikanern noch für allerlei Überraschungen gut.
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