Das US-Millitär ermittelt nur in Fällen, in denen es unerlässlich ist
Aufklärung aus Imagegründen
von Bernd Pickert
12.01.2012
Und wieder ein Video. Vier US-Soldaten, an Helmen und Waffen erkennbar als Mitglieder einer Scharfschützeneinheit der Marines, urinieren erheitert auf die Leichen dreier getöteter Afghanen. Ob es sich dabei um Zivilisten oder Kämpfer handelt, ist nicht erkennbar, wohl aber die demütigende Absicht der Soldaten, die sich sehr bewusst sind, dass sie gefilmt werden.
Die Öffentlichkeit ist empört, das Pentagon kündigt eine Untersuchung an, den Soldaten droht ein Militärstrafverfahren.
Nach Abu Ghraib und den geleakten Videos von der Tötung von Zivilisten aus einem Armeehubschrauber im Irak scheint das Video ein neuer Beweis für die herrenmenschliche Arroganz der USA bei ihren Militäreinsätzen. Nur: Dafür taugen gerade diese 39 Filmsekunden nicht.
Denn die Misshandlungen von Abu Ghraib hatten Methode, genau wie das 2010 von Wikileaks dokumentierte kontinuierliche Wegschauen bei den Gewaltexzessen privater Sicherheitsdienste und befreundeter irakischer Einheiten. Im Unterschied dazu ist in diesem Fall glaubhaft, dass es sich um einen makabren Scherz menschlich verlotterter Profikiller handelt, nicht um System.
Das Video hat etwas von Macho-Gewalt-Videos, wie sie manche Neuköllner Jugendliche auf ihren Handys filmen und stolz herumschicken. Natürlich ist es richtig, wenn die Marines vor ein Militärgericht gestellt werden. Aber es ist ein Witz, wenn sie verurteilt werden, während etwa die unzähligen tödlichen Übergriffe aus dem Irakkrieg bis heute ungeahndet bleiben.
Hier wäre die eigentliche juristische Aufarbeitung zu leisten. Die wird es im Fall des neuen Videos geben, weil das für das Ansehen der USA unerlässlich ist. Justiz nur im Opportunitätsfall – das ist der eigentliche Skandal.
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