Four Against Obama

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Varianten des Rechtskonservatismus – Vier gegen Obama

Von Charly Kneffel

27.1.2012

Eigentlich ist der Obama-Rausch, dem 2008 viele – nicht nur in den USA – erlagen, schon verflogen. Zu wenig hat der Friedensnobelpreisträger überhaupt auf die Reihe gebracht. Doch auch wenn eine diffuse Anti-Obama-Stimmung gibt, chancenlos ist der Amtsinhaber nicht. Was er selbst nicht kann, besorgen für ihn die Republikaner. Mit beachtlichem Erfolg. Unmittelbar vor den Wahlen in Florida sind es vier, die mehr gegeneinander als gegen Obama kämpfen. Der versucht es noch einmal als Sozial- und Friedensfürst; allein: eine Bewegung gibt das nicht mehr her.

Aber auch bei den Republikanern ist der große Verve schon weg. Vom Furor der Tea Party Bewegung ist kaum etwas geblieben. Keiner der noch im Rennen befindlichen Kandidaten steht ihr nahe. Michele Bachmann, kurzzeitig eine Art Hoffnungsträgerin der äußersten Rechten, gab Anfang Januar mangels Erfolgschancen entnervt auf, von Sarah Palin redet auch keiner mehr. Die vier verbliebenen Kandidaten – Gingrich, Paul (fast ohne Chancen), Santorum und Romney suchen sich als seriöse Kandidaten der Mitte darzustellen und eben dies ihren Rivalen abzusprechen. Mit dem Ergebnis, daß der (Vor) Wahlkampf der Republikaner die echten politischen Probleme der USA konsequent ausklammert und die gegenseitigen Anwürfe mehr persönliche Eigenschaften der Kandidaten, ihre Glaubwürdigkeit sowie eher skurille Nebenthemen betreffen.

Klares politisches Profil hat dabei noch am ehesten der Veteran Ron Paul, der – obwohl er den Begriff “Isolationist” vehement ablehnt – immerhin eine nichtinterventionistische Außenpolitik befürwortet und die Kriege der USA (Irak, Afghanistan) ablehnt, auch vor einem drohenden Krieg gegen den Iran warnt. Paul hat sogar die gesamte “Reaktionspolitik” der USA seit 2001 – also vor allem die seines “Parteifreundes” George W. Bush – als “falsch” eingestuft. Bemerkenswerterweise geht er dabei sogar soweit, den Austritt der USA aus NATO, UN und IWF zu fordern. Eigentlich durchaus wünschenswert – auch im Blick auf die Folgen für Europa – aber, obwohl sich dafür in den USA durchaus eine breite Basis finden ließe, unrealistisch. Der mit Abstand älteste Kandidat, der im Rennen ist, ist darüber hinaus sehr amerikanisch und befürwortet einen “schlanken Staat”, der sich auf die hoheitlichen Kernaufgaben beschränkt.

Auch die anderen Kandidaten – Newt Gingrich, Rick Santorum und der “Favorit” Mitt Romney – sehen in höheren Steuern und Sozialausgaben mehr oder weniger Teufelszeug. Sie bedienen dabei aber, im Gegensatz zum altkonservativen Paul, eher der offiziellen republikanischen Mainstream, haben sich sogar mit Homoehe – mehr oder weniger begeistert – abgefunden und entwickeln eine “gemäßigte” Haltung zur Einwanderung aus nichtweißen Ländern. Inwieweit das echte Positionen sind oder vielmehr der bereits unumkehrbar gewordene Realität der US-Gesellschaft widerspiegelt, muß angesichts des weitgehend als Show bzw. Medienspektakel angelegten Wahlkampf es dahingestellt bleiben. In erste Linie dürfte es sich um den Versuch handeln, die rechte (durch die Tea Party ausgewiesene) Basis bei der Stange zu halten, in den besorgten Mainstream hineinzuwirken und die Enttäuschung über den politisch gescheiterten Amtsinhaber auszunutzen für ein hegemoniales Projekt. Da jedoch die anstehenden Probleme teilweise bereits existenzieller Natur sind, hütet man nicht – wie einem unausgesprochenen Konsens folgend – davor, diese anzusprechen.

Probleme gibt es genug. Vor allem die US-Ökonomie befindet sich in einem aussichtslosen Zustand. Der Schuldenstand ist derart, daß eine irgendwie geartete Begleichung – es sei denn durch Krieg und/oder Inflation – ausgeschlossen ist. Was die US-Administration und in ihrem Gefolge die FED (US-Notenbank) bisher getan hat, läuft darauf hinaus, sich mittels Null-Zins-Politik “Zeit zu kaufen” und das Schneeballsystem weitere Runden rollen zu lassen. Doch ohne Europa – und noch sind die Deutschen nicht weich gekocht – wird das nicht mehr lange gut gehen. Die VR China wird auch nicht den Retter der US-Ökonomie spielen wollen. Die US-Gesellschaft selbst ist unter vielfachem Gesichtspunkten gespalten: einer hauchdünnen Schicht absolut Superreicher (von denen einige bereits Selbstkritisches von sich geben) steht eine immer weiter um sich greifende verarmte Unter – und ehemalige Mittelklasse gegenüber. Die Welt der Soap-Operas in den Medien ist immer mehr als verlogen erkennbar.

Klare rassistische oder fremdenfeindliche Töne kommen auch immer weniger an. Damit kann man zwar eine gewisse Basis radikalisieren, die auch lautstark auf sich aufmerksam macht, aber der Anteil der Afro-Amerikaner und noch mehr der Hispanics ist bereits so groß, daß dagegen keine stabilen Mehrheiten mehr zu organisieren sind. Wenngleich das Thema – amerikanischer Gewohnheit folgend – keine große Rolle im Wahlkampf spielt, sind die außenpolitischen Probleme gravierend. Nachdem der Versuch der USA, die nach 1990 entstandene Lage auszunutzen, die eigene Welthegemonie dauerhaft zu etablieren, was seinerzeit Bill Clinton und besonders George W. Bush versuchten, grandios gescheitert ist, bleibt nur der zweifelhafte (und verzweifelte) Versuch, diese Linie zu radikalisieren und dabei einen großen Krieg zu riskieren oder die Anerkennung einer multipolaren Welt. Ersteres birgt ein unkalkulierbares Risiko, letzteres widerspricht aller Traditionen der US-Elite seit den Zeiten eines Präsidenten Coolidge.

Kann sein, daß es Obama unter diesen Umständen gelingt, sich im Amt zu behaupten. Doch er wäre gerade in einer Situation, in der Stillstand nicht mehr geht, ein gelähmter, kaum handlungsfähiger Präsident. Der Hoffnungsträger, als der er 2008 gehandelt wurde, ist er in jedem Fall nicht mehr.

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