US-Republikaner Rick Santorum hat sein Wahlkampfthema gefunden: Er wirft Barack Obama einen “Krieg gegen die Religion” vor. Streitpunkt ist die Gesundheitsreform.
Es ist ein alter Kulturkampf um Kosten und Moral von Empfängnisverhütung, den Amerikas Republikaner jetzt zum Wahlkampfthema erhoben haben – und zum Prüfstein für den Glauben von US-Präsident Barack Obama.
Die Republikaner, angeführt von Präsidentschaftskandidat Rick Santorum und unterstützt von der katholischen Bischofskonferenz der USA, sehen eine Regelung in Obamas Gesundheitsreformgesetz als Angriff auf die Religionsfreiheit.
KOSTEN FÜR VERHÜTUNG ODER STERILISATION ERSETZEN
Das Gesetz gilt seit dem 1. August. Danach müssen alle Firmen, auch kirchliche Institutionen, ihren Angestellten über die betriebliche Krankenversicherung Kosten für Verhütung (oder Sterilisation) ersetzen. Das Weiße Haus und die Demokraten im Kongress argumentieren, das schütze die Gesundheit von Frauen, es habe mit Religion nichts zu tun, dafür umso mehr mit Grundrechten.
Die jüngste Wortmeldung zu Obamas „Krieg gegen die Religion“, wie es die Republikaner nennen, kam jetzt in einer Polit-Talkshow von Paul Ryan, dem jungen Star der Republikaner. „Paternalistisch“ und „arrogant“ nannte der Abgeordnete aus Wisconsin den Passus im Reformgesetz.
Sein Streitgegner von den Demokraten, Chris Van Hollen, hielt dagegen: Seit die Wirtschaft sich erhole, wählten die Republikaner offenbar wieder alte Kulturkampfthemen, die sie ihrer Basis wie „rohes Fleisch“ vorwürfen.
KEIN ATHEIST KANN PRÄSIDENT SEIN
Santorum, der Abtreibung als Mord unter Strafe gestellt sehen will, Abstinenz predigt und Verhütung in der Ehe „nicht okay“ findet, hatte Obama zuvor vorgeworfen, er folge einer säkularen „Theologie, die nicht auf der Bibel gründe“. Als Berater Obamas sich über den Versuch empörten, dem Präsidenten seinen Glauben abzusprechen, sagte Santorum, er halte Obama für einen Christen, bleibe aber bei seinem Vorwurf.
In weniger frommen Ländern, wo Kirchen Mühe haben, ihre Bänke zu füllen, hätte ein solcher Streit nicht annähernd die politische Sprengkraft wie in den USA. Ein Atheist oder auch nur ein gleichgültiger Christ kann dort nicht Präsident werden. Und doch muss der Streit, den die Republikaner angefacht haben, Obama am Wahltag im November nicht unbedingt gefährlich werden.
Umfragen zufolge haben 98 Prozent der US-Katholikinnen irgendwann in ihrem Leben verhütet. Und 84 Prozent der US-Katholiken glauben, dass Frauen, die verhüten, dennoch gute Katholikinnen sein können.
In der Streitfrage selbst – Sollen die Krankenversicherungen der Arbeitgeber Verhütungsmittel, die im Übrigen auch andere medizinische Indikationen haben, bezahlen? – entscheiden sich 58 Prozent der Katholiken für Obamas Haltung.
VERHÜTUNG FÜHRE ZU SCHÄDLICHEM VERHALTEN
Doch Santorum sieht die USA unter diesem Präsidenten auf dem Weg zur gotteslästerlichen Französischen Revolution. Santorum verglich in einem Buch Frauen, die abtreiben, mit Sklavenhaltern, die Sklaven töteten. Es ficht ihn nicht an, dass selbst in der katholischen Kirche die Enzyklika „Humanae Vitae“ von Papst Paul VI. umstritten bleibt.
Der Versuch der Kirche, die Sexualität von Frauen in der Ehe (und nur darum geht es dort) zu reglementieren, wird von der Wirklichkeit unterlaufen: Die „Herde“ ignoriert den Hirten.
Es ist viel Heuchelei im Spiel. Wenn Santorum insinuiert, Verhütung führe zu „schädlichem“, promiskuitivem Verhalten, und wenn er zugleich den Zusammenhang von (mangelnder) Verhütung, Teenager-Schwangerschaft und Abtreibung leugnet, ist das eher seinen Fantasien als der Realität geschuldet. Wie der Streit ausgeht, entscheidet sich wohl erst im November.
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