Der ungeliebte Favorit
Von Reiner Oschmann
08.03.2012
Barack Obamas mutmaßlicher Herausforderer Mitt Romney ist das klassische Gesicht des Kasino-Kapitalismus
Nach dem »Super-Dienstag« ist Multimillionär Mitt Romney weiter Favorit für die Nominierung als Herausforderer Präsident Obamas bei den USA-Wahlen im November. Doch die Vorbehalte selbst bei Republikanern und die Unzufriedenheit einer weit nach rechts driftenden Partei bleiben groß – und Romneys Kontrahent Rick Santorum im Rennen.
Seine Wahlkampfwitze sind wie Blei. Beim Auftritt vor einem College in South Carolina fragt der Mann mit dem festgeschraubten Lächeln, das er genau so auch in Florida und Michigan, Virginia und Ohio zeigt, gleich nach der Begrüßung mit Blick auf die Zweige über sich: »Was für ein Baum ist das?«. Und antwortet selbst: »Ich habe keinen Schimmer. Ist es vielleicht ein Mitt-Romney-Baum?«
Die Heuschrecke
Aus solchem Kommunikationsholz ist Romney geschnitzt. Der Mann, der nach dem »Super Tuesday« seine Aussichten auf die Nominierung als Kandidat der Republikaner wahrte und Herausforderer von Barack Obama (Demokraten) bei der Präsidentschaftswahl am 6. November werden könnte. Der einstige Gouverneur von Massachusetts (2003- 2007) hat freilich andere Stärken: Willard Mitt Romney, der nächsten Montag 65 wird, der große, schlanke, gut gegelte, mit Ehefrau Ann (seit 42 Jahren) und fünf erwachsenen Söhnen gesegnete Mann ist mit einem Privatvermögen von rund 250 Millionen Dollar doppelt so reich wie die letzten acht Präsidenten zusammen genommen. Auch die zählten nicht zur Dorfarmut.
Romney wurde in Amerikas Autohauptstadt Detroit als Sohn eines Chefs von American Motors und späteren dreimaligen Gouverneurs von Michigan geboren. Er besuchte die Brigham Young University, Harvard Law und Harvard Business School sowie die Eliteschule der Mormonen, einer Glaubensrichtung, die mancher als Sekte und, fälschlich, Verfechter der Vielweiberei betrachtet. 2002 managte der Zahlen- und Bilanzenfreund die Olympischen Winterspiele in Salt Lake City.
Lange davor begann er als Berater bei Finanzfirmen der Spekulationsbranche Millionen zu machen. Insbesondere als Chef (1984-1999) von Bain Capital lebte Romney seine Rolle als »Heuschrecke« aus: Er kaufte und verkaufte Firmen, nur dem Profit verpflichtet. Die mittlere Gewinnspanne bei diesen Hire-and-Fire-Spielen betrug etwa 88 Prozent, bei den einträglichsten waren es bis zu 900.
Jener Hintergrund machte ihn im Balzacschen Sinne (»Auf dem Grund jedes großen Vermögens ruht ein großes Verbrechen«) nicht nur zum Multimillionär. Auf solchem Hintergrund fiel im Wahlkampf auch manche Bemerkung, die ihn bis zum Wahltag verfolgen wird. »Damit eine Volkswirtschaft gedeihen kann, müssen viele Leute leiden« ist dafür exemplarisch. Romney verkörpert das Gesicht des heute auch in den USA verrufenen Kasino-Kapitalismus. Dass er nun nach Nominierung und Weißem Haus greift, ist jedoch nur ein Grund für die inneren Spannungen, unter denen die Republikanische Partei steht – in einem Land mit immer weiter aufreißender Kluft zwischen Arm und Reich, einem Land, das den Traum von der Aufstiegschance für jedermann zuletzt zunehmend als das zeigt, was er ist: ein Traum.
In einem solchen Land löst die Kandidatur eines so offen zu den obersten ein Prozent zählenden Mannes mehr Fragen als Wohlbehagen aus. Auch nach seinen Teilerfolgen vom Dienstag bleibt er in vieler Hinsicht ein ungeliebter Kandidat, ein Sieger, der jeweils mit dem blauen Auge davonkommt. Ja, man kann sagen: Je mehr Vorwahlen er gewinnt, desto größer werden die Zweifel, ob er der Richtige, ob das Bewerberfeld insgesamt tauglich ist.
Der Spagat
Dabei rechnet Romney unter den vier Anwärtern noch als moderat. Vor allem im Vergleich mit seinem härtesten Konkurrenten, dem früheren Senator von Pennsylvania Rick Santorum (53), der sich als Stimme des arbeitenden Mannes sieht und zugleich frömmelnd gegen Schwangerschaftsunterbrechung (auch nach Vergewaltigung) und Schwulenrechte ist, kehrt Romney den Moderaten heraus, der gegen Obama unentschiedene Wähler gewinnen könne.
Diese Wahrnehmung zeigt, wie weit die Republikaner nach rechts gerückt und in welcher Zerreißprobe sie sind. Die Republikaner sind einerseits, mehr als die Demokraten, die Partei des ungezügelten Kapitalismus. Andererseits artikulieren sich große Teile der Basis nach der Finanz- und Immobilienkrise in der Tea-Party-Bewegung als Anwalt des kleinen Mannes, der vor Regierung, Staatsverschuldung und »sozialistischer Bevormundung« wie etwa durch Obamas Gesundheitsreform geschützt werden müsse. Dieser Spagat – Hymnen auf den kleinen Mann hier und ein Heuschrecken-Kandidat wie Romney dort – verfolgt die Republikaner.
Für Romney, der vor vier Jahren schon mal versuchte, die Nominierung zu erringen, kommt trotz unerschöpflicher Geldquellen und bester Wahlkampfstrukturen ein Handicap hinzu: seine Wendehalsigkeit. Außer für das jeweils Opportune lässt sich nicht bestimmen, wofür Romney mit innerer Überzeugung steht. Als Gouverneur führte er eine liberale Neuregelung der Krankenversicherung in Massachusetts ein, die zur Vorlage für Obamas Reform wurde. Doch das erste Gesetz, das Romney bei einem Sieg kassieren will, ist eben diese Reform. Er stand für tolerante Einwanderungs-, Umweltschutz- und Abtreibungsbestimmungen. Heute distanziert er sich davon. Experten warnen vor Illusionen, er könne sich auf relevantem Feld doch noch liberal erweisen. E. J. Dionne, Kolumnist, schrieb mit Blick auf Romneys Wirtschafts- und Arbeitsmarktpositionen: »Er lässt keinen Raum für Vorschläge, die nur im Entferntesten das Etikett gemäßigt verdienen. Romneys Plan ist ebenso extrem wie langweilig altbacken. Er speist sich aus der alleinigen Idee, die die Konservativen heute zur Lösung von allem und jedem anbieten: den Reichen noch mehr Geld hinterher zu werfen.«
Der Extremist
Romney, der sich am geeignetsten hält, Probleme zu lösen, verspricht Amerikas Mittelschicht zu stärken. Wie die FDP operiert er mit der Aussicht auf Steuersenkungen und versprach zuletzt »20 Prozent querbeet für jeden«. Abgesehen davon, dass er nicht sagt, wie er so die gleichfalls zugesicherte Senkung der enormen Staatsschulden erreichen will, errechneten Experten, dass hiervon niemand mehr profitieren würde als die reichsten 0,1 Prozent. Da er zudem weitere Geschenke (Grund-, Reichtums- und Unternehmenssteuer) für die größten Vermögen ankündigt, kommt nicht nur Prof. Dionne zu dem Schluss, Romney sei alles andere als »ein pragmatischer Zentrist«. Vielmehr weise ihn sein Steuerplan und die geplante radikale Kürzung von Sozialleistungen als »Extremisten zum Wohl der Privilegiertesten aus«.
Außenpolitisch überbieten sich die Republikaner – mit Ausnahme des Abgeordneten Ron Paul – in einem Scharfmacherwettbewerb, der die Grundstimmung der Tea Party und die Verunsicherung des rechten Flügels der US-Politik angesichts der Schwächung der USA widerspiegelt. Romney will bei einem Sieg Kürzungen des Militäretats rückgängig machen und »die Fähigkeit der USA erhalten, auch künftig zwei Kriege gleichzeitig führen zu können«. Mit der Großmacht China will er sich notfalls »anlegen« und seinen ersten Auslandsbesuch anders als üblich nicht Kanada, sondern Israel abstatten. Fidel Castro, der offensichtlich immer noch genau die US-Politik verfolgt, hielt die Qualität der Republikaner-Vorwahlen so fest: »Der bisher größte Wettbewerb in Idiotie und Ignoranz.«
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