Republican Misogyny Helps Obama

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Frauenfeindlichkeit der Republikaner hilft Obama

Uwe Schmitt

19.03.2012.

Mit ihrer radikalen Kampagne haben es sich die Republikaner mit modernen Wählerinnen verscherzt. Jetzt rudern sie zurück – vergeblich, wie es scheint.

Das amerikanische Wahljahr 2012 werde allein von der Wirtschaftskrise beherrscht, hatten Weise beider Parteien vorhergesagt. Die Benotung von Barack Obama und den Demokraten im Kongress bündele sich zum Referendum über die Gesundheitsreform, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, die Alternative mehr Staat versus mehr Markt.

So kam es, doch irrten sie alle. Die Republikaner, inspiriert von ideologischen Reinheitsgeboten der Tea Party, beließen es nicht dabei. Im Kongress, in Landesparlamenten wie im Wettstreit um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten rüsteten sie zu einem religiös beseelten Kulturkampf, der vor Jahrzehnten entschieden wurde.

Wie einst sitzen Politiker und Bischöfe zu Gericht über Gewissensentscheidungen von Frauen zu Schwangerschaftsabbruch und sogar Verhütung. Die Demokraten empören sich über einen „Krieg gegen Frauen“ und mobilisieren sichtlich beglückt ihre Wählerinnen gegen die Zumutung.

Die Republikaner beschuldigen den Präsidenten des „Kriegs gegen Religionsfreiheit“, lassen sich von Evangelikalen treiben und wundern sich über Vorwürfe von Frauenfeindlichkeit, die sich in Umfragen niederschlagen. Die Stimmen der Frauen brachten Barack Obama ins Weiße Haus; die Demokraten hatten von 1992 bis 2008 auf diese Mehrheit bauen können. Erst bei den Kongresswahlen 2010, als Sarah Palins konservative Feministinnen („Grizzly Mums“) Macht gewannen, brachen die Republikaner die Mehrheit.

Verhütung soll selbst für Ehepaare verboten werden

Der berauschende Wahlsieg mag die Republikaner ermutigt haben, mit revisionistischer Verve die Kämpfe der 60er-Jahre neu anzuzetteln. In den Einzelstaaten wurden 2011 mehr als 80 gesetzliche Einschränkungen des nationalen Rechts auf Schwangerschaftsabbruch durchgesetzt.

Doch erst als der streng katholische Kandidat Rick Santorum Verhütung selbst für Ehepaare ablehnte und mit der US-Bischofskonferenz einen Passus der Gesundheitsreform als Angriff auf die Religionsfreiheit brandmarkte, formierte sich Gegenwehr von Frauen.

Dem rechtspopulistischen Radiotalker Rush Limbaugh blieb es vorbehalten, auch parteilose Frauen und gemäßigte Republikanerinnen in ein Bündnis gegen Misogynie zu reden. Limbaugh, der Ministerinnen wie Hillary Clinton als „sex-retary“ bezeichnet, schimpfte eine junge Jurastudentin, die vor dem Kongress für die Übernahme von Verhütungskosten durch Krankenkassen argumentiert hatte, eine „Schlampe“ und „Prostituierte“.

Eine Feigheit vor dem Freund

Über Nacht wurde einer der mächtigen Paten der Republikaner für Frauen zum Paria, Dutzende Werbekunden liefen ihm davon. Es wäre der Moment gewesen, in dem führende Republikaner sich auf die Seite der Beleidigten hätten schlagen müssen. Wenn auch nur, um sich nicht mit der Mehrheit der Wähler anzulegen.

Doch weder Mitt Romney noch Rick Santorum, die beiden führenden Kandidaten für die Nominierung, nutzten ihre Chance. Romney, auf Limbaughs Widerlichkeiten angesprochen, murmelte etwas von „das ist nicht die Sprache, die ich gewählt hätte“; Santorum meinte, das Ganze sei absurd, Entertainer dürften absurd sein.

Eine Feigheit vor dem Freund: Sie wollten es sich nicht mit Rush Limbaugh und seiner Millionen zählenden Radiogemeinde verderben. Hillary Clinton sah sich daraufhin genötigt, bei einer internationalen Konferenz zu Frauenrechten in New York zuzugeben, dass auch in ihrem Land („Es ist kaum zu glauben!“) Versuche, Frauen zu marginalisieren, abgewehrt werden müssten. Inzwischen schlägt das Pendel gegen die Republikaner aus. In jüngsten Erhebungen führt Obama gegen Mitt Romney bei Frauen mit 18 Prozentpunkten, bei Männern liegt er mit sechs Punkten zurück.

Pendel schlägt gegen Republikaner aus

Was bewegt Amerikas Konservative, Rechnungen begleichen zu wollen, die lange bezahlt sind? Über 90 Prozent der Frauen in den USA, eingeschlossen Katholikinnen, die gegen das Verbot ihrer Kirche handeln, verhüten. Sie lassen sich nicht „zurück zum Keuschheitsgürtel“ drängen, wie eine Kolumnistin schrieb. Verhütung verhindert Abtreibungen.

Und Verhütung hat Amerikas Frauen die Freiheit gegeben zu entscheiden, wann sie Kinder wollen. Frauen stellen mehr als die Hälfte der Studenten an Colleges und Universitäten; 40 Prozent verdienen mehr als ihre Ehemänner, mit steigender Tendenz. Es hat etwas für sich, den entfachten, alten Kulturkampf als Nachhutgefecht geschwächter Männer zu werten.

Rick Santorum, Vater von sieben Kindern und beseelter als ein Priester, kommt mit seiner nicht ganz frischen Botschaft von Kirche, Küche, Kindern bei Frauen seines Milieus gut an. Für eine Mehrheit bei den Präsidentschaftswahlen würde das nicht reichen. Selbst der vorsichtigere Mormone Mitt Romney behauptet, er werde das Haushaltsdefizit entscheidend senken, indem er die Bundeszuschüsse für Planned Parenthood streicht. Unsinn.

Gute Munition für die Demokraten

Der Entzug von 360 Millionen Dollar kann die 80 Jahre alte Organisation ruinieren, die Millionen mittellosen Frauen Zugang zu Verhütung, Krebsvorsorge und (drei Prozent) zu Abtreibungen gewährt. Eine Entlastung des Staatshaushalts durch Abstrafung von Planned Parenthood wäre ein schlechter Witz. Aber gute Munition für die Demokraten, die Romneys Prioritäten entsprechend zu verkaufen wissen.

Der behauptete „Krieg gegen Frauen“ ist eine Schimäre wie der „Krieg gegen Religionsfreiheit“. Dennoch sagt der frivole Missbrauch des Worts in einem Land, dessen Soldaten in zwei realen Kriegen sterben, wenig Gutes über die politische Kultur. Am 23. März jährt sich zum zweiten Mal die Unterzeichnung des umstrittenen Gesetzespakets zur Gesundheitsreform. Die Republikaner werden „Obamacare“ aufs Neue als ruinös, sozialistisch, freiheitsberaubend brandmarken.

Das kommt bei ihren Wählern gut an, auch bei manchen jener armen Schlucker, die von Arztrechnungen in den Bankrott gestürzt werden und von der Reform am meisten profitieren könnten. Barack Obama wird bei ihnen, häufig vergebens, für seine Initiativen werben.

Mehr Glück könnte er bei Frauen haben, die 2008 gegen ihn stimmten und das bis vor einigen Wochen auch diesmal vorhatten. Bis ihre Partei, die stets den freien Markt gegen den Staat verteidigt, die Gewissensfreiheit von Frauen angriff, indem sie den Staat ins Schlafzimmer einließ. Längst wollen Republikaner das Thema wechseln, das ihnen so schlecht bekam. Ob das gelingt, werden Amerikas Frauen entscheiden.

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