Der Hund auf dem Autodach
Von Matthias Rüb
15.04.2012
Für Mitt Romney ist seine Familie ein Grundstein des Denken und Handelns. Eine alte Geschichte, die der republikanische Herausforderer Barack Obamas nicht los wird, stört allerdings das Bild.
Es gibt gleich zwei Anekdoten von Autodächern, die Mitt Romneys Charakter erklären helfen sollen. Die erste handelt von einer Fahrt in den Familienurlaub im Sommer 1983. Von Boston an der Atlantikküste ging es nach Westen, ans kanadische Ufer des Huron-Sees. In Harvard nahe Boston hatte Romney von 1971 bis 1975 die Rechte sowie Ökonomie studiert. In beiden Fächern schloss er als einer der Jahrgangsbesten ab. Noch an der Universität wurde er vom damals führenden Wirtschaftsberatungsunternehmen „Boston Consulting Group“ angeworben, wo sich Romney bald nach oben arbeitete. Die Jahre dort waren für ihn aber noch nicht die Zeit des großen Geldes. Die sollten erst von 1984 bis 1998 beim Investitionsunternehmen „Bain Capital“ kommen.
Das Familienauto war ein weißer Chevrolet-Kombi. Er war für die Fahrt in die Sommerfrische mit allerlei Gepäck bis unters Dach vollgestopft, Ann und Mitt Romney saßen vorn, ihre fünf Söhne im Fond. Für den irischen Setter Seamus blieb nur noch Platz auf dem Dachgepäckträger. Dort wurde der Hund in seinem Transportkäfig verstaut. Zum Schutz vor dem Fahrtwind gab es sogar eine improvisierte Windschutzscheibe. Dennoch schlug die Fahrt Seamus auf den Magen. Irgendwann erhob sich im Fond großes Geschrei, denn eine braune Flüssigkeit rann die Heckscheibe herab. Vater Romney hielt kurzerhand an einer Tankstelle an, lieh sich einen Schlauch, spritzte Hund, Käfig und Auto gründlich mit Wasser ab – und setzte die Fahrt fort.
Kein böses Wort trotz Totalschaden
Die Sache mit Seamus liegt schon fast drei Jahrzehnte zurück. Doch zumal politische Gegner Romneys wollen in seinem Umgang mit dem Familienhund Gefühlskälte und herzloses Krisenmanagement erkennen. Schon im innerparteilichen Vorwahlkampf der Republikaner war immer wieder von Seamus die Rede gewesen. Vieles spricht dafür, dass auch im Duell Mitt Romneys mit Präsident Barack Obama der Hund auf dem Autodach wieder eine Rolle spielen wird.
Die andere, weniger bekannte Geschichte spielt in jener Zeit, als Romney bei „Bain Capital“ schon viele Millionen Dollar verdient hatte und sich ein BMW-Cabrio als Drittwagen leisten konnte. Romneys Lieblingsauto gefiel freilich auch Ehefrau Ann, die bald mehr damit fuhr als ihr Mann. An einem schwülen Sommernachmittag vergaß sie, das Verdeck des auf der Garagenzufahrt geparkten Wagens zu schließen. Der bald einsetzende Platzregen machte das Auto praktisch zum Totalschaden. Mitt Romney verlor kein böses Wort wegen des Missgeschicks seiner Frau.
Der heute 42 Jahre alte erste Sohn Taggart weiß zu berichten, dass sein Vater in der Öffentlichkeit seiner Mutter niemals widerspreche und dass bei Auseinandersetzungen daheim die Mutter fast immer das letzte Wort behalte. Die tiefe Liebe und den Respekt seines Vaters für seine Mutter hätten er und seine vier jüngeren Brüder immer als Fundament der Familie erfahren. Mitt Romney selbst sagt über seine Frau: „Ihre Liebe zu mir ist für mich die größte Quelle der Freude, die ich mir nur denken kann.“ Er bezeichnet sie zudem als seine beste Ratgeberin, die viel sicherer erkenne, ob etwas oder jemand echt und authentisch sei oder falsch und heuchlerisch.
In der High School versprachen sie sich einander
Die Familie, die neben dem mormonischen Glauben der Grundstein im Denken und Handeln Mitt Romneys ist, mag für manche gar zu traditionell sein. Am Mittwoch etwa ließ sich die demokratische Polit-Strategin Hilary Rosen zu der Bemerkung über Ann Romney hinreißen: „Sie hat keinen einzigen Tag in ihrem Leben gearbeitet.“ Was Hilary Rosen meinte, aber nicht sagte, war: Ann Romney ist nie einer bezahlten Tätigkeit außer Haus nachgegangen. Stattdessen hat sie, unmittelbar nach dem Abschluss ihres Französischstudiums, zwischen 1970 und 1981 die fünf Söhne zur Welt gebracht und sie großgezogen.
Zu dem von den Demokraten für den Wahlkampf entworfenen Zerrbild des eiskalten Firmensanierers Mitt Romney, der mit Lust Tausende Leute feuert und dabei Millionen scheffelt, passt die Karikatur von Ann Romney als Hausmutti, die vom wirklichen Leben heutiger Frauen keinen Schimmer hat. Ann Romney reagierte auf die beleidigende Äußerung Hilary Rosens so: „Meine Karriereentscheidung war es, Mutter zu sein. Und es war harte Arbeit, das können Sie mir glauben. Andere Frauen treffen andere Entscheidungen. Wir müssen alle Frauen respektieren, gleichviel, welche Entscheidungen sie treffen.“
Ann und Mitt Romney kennen sich seit Grundschulzeiten, in der „High School“ versprachen sie sich einander. Sie hielten das Versprechen, auch als er während seiner für Mitglieder der mormonischen „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ obligatorischen zweijährigen Missionszeit in Frankreich lebte. Zu den fünf Söhnen und fünf Schwiegertöchtern sind 16 Enkelkinder hinzugekommen. 1998 wurde bei Ann Romney multiple Sklerose diagnostiziert – ihr Mann empfand dies als den schlimmsten Tag seines Lebens. Mit einer neunmonatigen intravenösen Steroidtherapie, dazu mit ganzheitlichen Behandlungsmethoden überwand sie die Krankheit weitgehend. 2008 überstand sie zudem eine Brustkrebs-Erkrankung.
Seinen ersten Wahlkampf verlor er
Willard Mitt Romney wurde am 12. März 1947 in Detroit geboren, wo sein Vater George zunächst in der Automobilindustrie und später, von 1963 bis 1969, als Gouverneur erfolgreich war. 1968 bewarb sich George Romney um das Präsidentenamt, musste sich aber bei den republikanischen Vorwahlen früh Richard Nixon geschlagen geben. Der holte ihn Anfang 1969 dann als Wohnungsbauminister ins Kabinett nach Washington.
Für Mitt Romney, das jüngste von vier Kindern, war sein Vater stets Leit- und Vorbild. Dass er ihn nicht nur beim wirtschaftlichen Erfolg überflügelt hat, sondern auch beim Kampf ums Weiße Haus, begreift der Sohn gewiss als eine Reverenz an seinen Vater.
Seinen ersten Wahlkampf verlor Mitt Romney freilich: 1994 unterlag er dem Demokraten Ted Kennedy im Kampf um einen Senatssitz. Den Schritt in ein öffentliches Amt tat er dann 2001, als er zum Manager der Olympischen Winterspiele 2002 von Salt Lake City berufen wurde. Die Vorbereitung der Spiele war nach einem Bestechungsskandal in eine Vertrauens- und Schuldenkrise geraten. Romney gelang es, die Kosten zu reduzieren und vor allem das Vertrauen in das Organisationskomitee wiederherzustellen.
Das Motto lautet: „Mitt ist fies“
Das Etikett „Retter der Spiele“ half Romney dabei, die Gouverneurswahlen im linksliberalen Bundesstaat Massachusetts von 2002 zu gewinnen – fast schon ein Meisterstreich für einen Republikaner. In seiner Amtszeit von Anfang 2003 bis Januar 2007 regierte Romney als Moderater. 2006 unterzeichnete er in Boston eine Gesundheitsreform für Massachusetts, die manche Ähnlichkeit mit Obamas nationaler Gesundheitsreform aufweist. Der Umstand, dass Romney ein pragmatischer Problemlöser ist und kein verbissener Ideologe, hat seinen Sieg bei den innerparteilichen Vorwahlen der Republikaner hinausgezögert. Aber im Duell mit Obama wird ihm dieser Zug die Stimmen gemäßigter Wechselwähler einbringen.
Anhänger der Demokratischen Partei wollen deshalb eine Million Dollar sammeln, um in besonders umkämpften Bundesstaaten mit Wahlwerbespots an Romneys inhumane Behandlung seines Hundes Seamus zu erinnern. Ihr Motto lautet: „Mitt ist fies.“ Seamus verbrachte seinen Lebensabend bei Romneys älterer Schwester Jane in Kalifornien. Dort starb er vor Jahr und Tag. Er soll friedlich eingeschlafen sein.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.