Kasinos in der Krise
von Marek Dutschke
05.05.2012
Zwei der größten Kasinos der USA stehen nach der Finanzkrise vor dem Aus. Die Angst der Betreiber – zwei Indianerstämme – vor einer Enteignung ist groß. Der weiße Mann könnte hier zu seiner historischen Schuld stehen.
Wer etwas Zeit im Nordosten der USA verbracht hat, wird vielleicht das eine oder andere Mal mit dem Auto zwischen Boston und New York unterwegs gewesen sein. Entlang dieser Strecke begegnet Autofahrern relativ viel Werbung für zwei Spielkasinos. Das Foxwoods und das Mohegan Sun Kasino sind nur zehn Meilen voneinander entfernt. Beide liegen im Bundesstaat Connecticut und sind Herzstücken zweier Indianderreservate. Eigentümer und Betreiber sind der Mashantucket Pequot und der Mohegan Stamm. Friedliche Nachbarn waren diese beiden Stämme noch nie. Jetzt konkurrieren sie, um die schwindende Zahl von Zocken in ihre Spielhöllen zu locken.
Vor fast genau 375 Jahren standen sie sich als Kriegsgegner gegenüber. Die Mohegan unterstützten die englischen Milizen. Am 26. Mai 1637 legten sie das Dorf Misistuck vom Stamm der Pequot in Schutt und Asche. Im sogenannten „Mystic Massaker“ kam ein Viertel des Stammes um. Etwa ein Jahr später mussten die Pequot gänzlich kapitulieren. Die Überlebenden flüchteten oder wurden als Sklaven in die Karibik verfrachtet, um auf Zuckerplantagen zu schuften. Lediglich eine Handvoll Pequot hat den Krieg mit den Briten und den Mohegan in deren Stammland überlebt.
Für die Indianerreservate war die Errichtung von Spielkasinos Anfang der neunziger Jahre eine Goldgrube. Reservate sind eigenständige Hoheitsgebiete und damit nicht an Glücksspielverbote in einzelnen Bundesstaaten gebunden. Die Amis strömten nur zu gern in die Indianerkasinos. Aus den armseligen und heruntergekommenen Reservaten wurden kapitalstarke Boomgegenden. Die Pequot bauten prächtige Wohnanlagen, ein Krankenhaus, diverse Sportstätten und sogar ein 225 Millionen Dollar teures Museum über die Stammesgeschichte. Das Geld floss nur so rein. Die Pequot zahlten allen volljährigen Stammesmitgliedern eine jährliche Dividende von 100.000 Dollar.
Mit der Finanzkrise änderte sich alles. Es war einfach kein Geld mehr übrig, um spielen zu gehen. Für die Indianer war das eine eiskalte Dusche. Sie hatten ihre Wirtschaftsstruktur um die Kasinos herum gebaut und mussten plötzlich hohe Einbußen in Kauf nehmen. Das Foxwoods und Mohegan Sun sind zwei der größten Kasinos in den USA. Sie sind mittlerweile pleite und haben milliardenschwere Schulden angehäuft. Ratingagenturen haben ihnen jüngst das Ramschsiegel verpasst.
Diese Krise ist auf sehr spezielle Art problematisch. Da die bankrotten Kasinos im Hoheitsgebiet der Indianer liegen, können Gläubiger die Geschäfte nicht übernehmen. Auch eine Insolvenzanmeldung ist nicht möglich. Groß ist die Angst vor einer erneuten Enteignung. Die Geschichte der Ureinwohner ist komplex und traumatisch. Indianer wurden beraubt, enteignet, versklavt und ermordet. Außerdem schleppten die Siedler neue Krankheiten nach Amerika, die wie biblische Plagen durch das Land zogen. Einige Historiker schätzen, dass über 80 Prozent der Uhreinwohner durch Pest, Cholera, Pocken oder anderen Krankheiten während des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts gestorben.
Ausgerechnet die kriselnden Kasinos bringen diese Tatsachen wieder auf die Agenda. Eine Lösung gibt es bisher nicht. Als ich vor einigen Jahren im Mohegan Sun 100 Dollar beim Blackjack verloren habe, fand ich das irgendwie nicht so schlimm. Ich war zwar ein armer Student, hatte aber trotzdem das Gefühl, dass mein Verlust irgendwo Gerechtfertigt war. Sollen sie doch staatliche Bürgschaften für die Kasinos bekommen! Die historische Schuld des weißen Mannes sollte nun auch eine wirtschaftliche Milde mit sich bringen.
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