Obamas Panikreaktion
Nach Obamas Besuch in Afghanistan sieht ein Teil der US-Presse in ihm einen wahren “Commander in Chief”. Republikaner beschuldigen ihn dagegen, den Jahrestag der Tötung von Osama bin Laden zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen.
Er erwarte ja einiges an Scheinheiligkeit in der Politik, schreibt E. J. Dionne in der Washington Post. Es sei ihm aber trotzdem die Kinnlade herunter gefallen, als er sich anhören musste, wie die US-Republikaner den Präsidenten Obama beschuldigten, den Jahrestag der Tötung von El-Kaida-Ikone Osama bin Laden schamlos zu politisieren und für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen: „Ist es nicht erst acht Jahre her, dass die Republikaner eine ganze Wahlkampagne rund um die Anschläge vom 11. September 2001 und die Antwort von George W. Bush darauf organisierten?“ Obamas Herausforderer, fährt Dionne fort, glaubten wohl, „dass wir überhaupt kein Erinnerungsvermögen haben“.
Konservative Kommentatoren stören Anmerkungen dieser Art überhaupt nicht. Da ist etwa Pat Buchanan, der 1992 und 1996 selbst Präsident werden wollte. Er nennt den überraschenden Besuch von Barack Obama in Afghanistan auf Fox News eine Panikreaktion. Der Präsident wolle angesichts einer drohenden Wahlniederlage Vorteile aus dem heldenhaften Vorgehen der Navy Seals ziehen, die Bin Laden getötet haben.
Die Beschäftigung mit der Frage, ob die Tötung Bin Ladens nun für Parteizwecke missbraucht wird oder nicht, ist in Wirklichkeit aber eine Nebensache. Tatsächlich geht es ihnen um die Frage, ob sich Obama als außenpolitischer Könner gezeigt hat und ob der Afghanistan-Krieg nach mehr als zehn Jahren jetzt auf dem Weg ist, beendet zu werden.
Der Geheimdienstkenner unter den Washingtoner Journalisten, David Ignatius, bemerkt dazu, Obama habe endlich gezeigt, dass er ein wahrer „Commander in Chief“ sei. Schließlich sei der Präsident in der Vergangenheit oft ein „distanzierter und leidenschaftloser Befehlshaber“ gewesen, dem es gut gefallen habe, Entscheidungen über geheime Missionen im stillen Kämmerlein zu fällen. Nun aber habe sich ein anderer Obama gezeigt: „Die Reise nach Afghanistan war offensichtlich eine Vorschau auf die Argumente, die Obama im anstehenden Wahlkampf vorbringen wird: Er ist der Präsident, der eine Dekade des Krieges beendet hat. Er ist der Präsident, der Osama bin Laden getötet hat. Er ist der Präsident, der einen Weg gefunden hat, Afghanistan zu verlassen, und doch zu bleiben.“
Der neokonservative Kommentator William Kristol arbeitet sich unterdessen vor allem an einem Satz Obamas ab, der in seiner Rede an die Nation sagte: „Diese Zeit des Krieges hat in Afghanistan begonnen, und hier wird sie zu Ende gehen.“ Kristol ist diesbezüglich völlig anderer Ansicht.Er verweist auf Pakistan, auf Somalia, auf den Jemen und schreibt: „Wir sind im Krieg mit dem politischen Islamismus – eine Bewegung, die nicht nur auf ein oder zwei Staaten beschränkt ist“. Das klingt plausibel, zumindest aus der Sicht eines Mannes, der nicht von These des globalen Krieges gegen den Terror lassen möchte.
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