Tea Party Makes Short Work of Dick Lugar

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Teaparty macht kurzen Prozess mit Dick Lugar

von Markus Ziener

09.05.2012, 17:45 Uhr

Senator Lugar tritt ab, einer der letzten Republikaner, die über Parteigrenzen hinweg denken. Der Grandseigneur der Konservativen unterliegt einem Aktivsten der Teaparty – die beweist, wie stark sie nach wie vor ist.

Washington. Hatte er die Zeichen der Zeit nicht erkannt? Wahrscheinlich. Denn ansonsten hätte Richard Lugar, einer der dienstältesten republikanischen Senatoren, nicht mit solcher Naivität auf seine erneute Nominierung gehofft. Jetzt, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, wurde er abgewählt – und das mit rund 20 Prozent überaus deutlich. Verloren hat das politische Urgestein gegen einen Teaparty-Aktivisten, der die Vorstellungen des liberal-konservativen Lugar als längst überholt abtat. Was stimmt: Überparteiliche Zusammenarbeit hat seit Jahren keinen Platz mehr im Kongress in Washington. Die alte Garde der republikanischen Realos muss abtreten.

Zwei Lehren lassen sich ziehen aus der Abwahl des 80-Jährigen langjährigen außenpolitischen Experten der Konservativen: Die Teaparty darf als politische Kraft noch lange nicht abgeschrieben werden. Und: Mit dem höflich-diplomatischem Stil eines Grandseigneurs wie Dick Lugar lässt sich nicht mehr gewinnen.

Lugar ist nicht der einzige republikanische Veteran, der gehen muss. Olympia Snowe, Senatorin aus Maine, hat bereits vor einer erneuten Kandidatur ihren politischen Abschied genommen, weil in der vergifteten parteiischen Atmosphäre in den USA für konservativ-liberale Geister kein Platz mehr sei.

Auch Kay Bailey Hutchison, republikanische Senatorin aus Texas, unternimmt gar nicht mehr den Versuch, erneut anzutreten. Auch sie hatte immer mal wieder gewagt, gegen die Parteilinie zu stimmen. Etwa, als sie sich gegen eine Blockade von Präsident Barack Obamas Gesundheitsreform wandte.

35 Jahre lang war er die Stimme der Vernunft

Der letzte republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain ist einer der wenigen aus der alten Riege konservativer Senatoren, der noch im amerikanischen Oberhaus vertreten ist. Allerdings musste sich McCain, der 2008 gegen Obama verlor, vor zwei Jahren mächtig verbiegen, um seinen parteiinternen Herausforderer der Teaparty abzuschütteln.

Dabei rückte McCain zumindest verbal so sehr nach rechts, dass er seither ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Lugar indessen verteidigte noch am Wahltag seine überparteilichen Reputation. Er könne sich an keine Zeit erinnern, die parteipolitisch so aufgeladen gewesen sei, sagte er, nachdem seine Niederlage in Indiana feststand.

Sein Bezwinger, Richard Mourdock, der von den wichtigsten Teaparty-Organisationen unterstützt wurde, hingegen interpretierte seine Wahl als Indiz, dass sich die Menschen aus Indiana einen konservativeren Kurs im Senat wünschten.

35 Jahre lang war Dick Lugar die Stimme der Vernunft, wenn es in der US-Politik um wichtige internationale Abkommen ging. Ende 2010 warf der zweifache Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats noch einmal sein politisches Gewicht hinter den amerikanisch-russischen Abrüstungsvertrag Start – der nach langem Tauziehen im Kongress verabschiedet werden konnte.

Außerdem votierte er für Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht und unterstützte auch dessen Vorschlag, wenigstens für Kinder von illegalen Einwanderern einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft zu ebnen. Mit Deutschland verbinden Lugar historische Familienbande, exzellente Kontakte und viele Reisen.

Zwar wurde dem erstmals 1977 gewählten Senator vorgeworfen, den Kontakt mit den Einwohnern Indianas verloren zu haben. Und die Tatsache, dass sich Lugar zumeist in der Nähe Washingtons aufhielt und nicht in Indiana, dürfte ihm im Wahlkampf kaum geholfen haben.

Die Republikaner sind das Problem

Noch vor wenigen Jahren jedoch wäre ein solcher Nachteil nicht wahlentscheidend gewesen. Langjährige etablierte Politiker wie Lugar mussten nur selten um ihre Wiederwahl fürchten. John McCain zog nach der Niederlage seines Senatskollegen deshalb nur trocken diese Lehre: „Nie defensiv spielen, immer offensiv bleiben“.

Die Lugar-Personalie zeigt aber nur ein weiteres Mal, wie sehr sich die konservative Partei in den USA verändert hat. Das macht auch ein Buch deutlich, dass jetzt von einem liberalen und einem konservativen Autoren, Thomas Mann vom Thinktank Brookings und Norman Ornstein vom American Enterprise Institute (AEI) veröffentlich wurde.

Insbesondere die Autorenschaft von Ornstein hat für Aufsehen gesorgt. Der Experte vom erzkonservativen AEI schreibt: „Die republikanische Partei ist zu einem rebellischen Außenseiter in der US-Politik geworden. Sie ist ideologisch extrem, verachtet jeden Kompromiss, ist unbeeindruckt von jeglichem herkömmlichen Verständnis für Fakten, Beweise und wissenschaftlicher Erkenntnis und tut sämtlichen Widerstand dagegen als illegitim ab“.

Mann und Ornstein gehen aber noch weiter. Sie kritisieren die „political correctness“ in Washington, die den Medienmainstream dazu zwinge, stets beide politischen Lager zu kritisieren – um nicht als einseitig abgestempelt zu werden. Dabei sei das eigentliche Problem der politischen Paralyse in der US-Hauptstadt doch ganz zuerst bei einem Lager zu suchen: Jenem der Republikaner.

US-Präsident Barack Obama wird mit Lugar ein weiterer jener Republikaner fehlen, mit denen sich arbeiten ließ. „Senator Richard Lugar“, so Obama in einer Erklärung noch in der Wahlnacht, „reichte die Hand zum politischen Gegner und wollte, dass man eine Sache auch umgesetzt bekam.“ Den Anhängern der Teaparty indes dürfte diese Bemerkung des Präsidenten ein weiterer Beweis für die Richtigkeit ihres Erfolgs gewesen sein.

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