Obamas Achillesferse
Von Daniel Haufler
18.05.2012
Es wird um jede Stimme in den USA gekämpft, mit netten Muttis und bösen Videos. Doch was nutzt das, wenn Gefahr aus dem fernen Athen droht?
Die Wahlkampfteams von Mitt Romney und Barack Obama kämpfen schon jetzt, sechs Monate vor der Entscheidung, gnadenlos um jede Stimme. Ann Romney muss in Rundmails potenzielle Unterstützer werben, die mit Mitt „einen Happen essen“ sollen, und verspricht: „you’ll have a great time with my guy“. Wirklich? Nun, sie sollte es wissen – nicht weil sie seine Frau ist, sondern weil sie die tolle Mutter seiner Söhne ist. Das jedenfalls haben ihre fünf Söhne (vielleicht auch sechs oder … ich bin mit dem Zählen nicht hinterher gekommen) in einem rührenden, vor Anbiederung triefenden, endlosen Muttertagsfilmchen geschworen. Wer so eine aufopferungsvolle Familie, der muss doch, wie soll ich sagen, irgendwie ein netter Mensch sein.
Damit niemand wirklich daran glaubt, macht die Obama-Kampagne Romney schlecht, wo es nur geht. Schließlich ist seit Richard Nixon im Jahr 1968 kein unbeliebter Politiker mehr zum Präsidenten gewählt worden. Also führt sie ihn als grausamen Heuschrecken-Kapitalisten vor, der für Profit und ohne Rücksicht auf fleißige Amerikaner Stahlfirmen dicht machen lässt (Damir Fras hat es hier im Blog gezeigt – ist Ihnen und Dir, Damir, übrigens aufgefallen, dass in Romneys Verteidigungsvideo die Firma Bain Capital nicht einmal erwähnt wird. Was sagt uns das nur?). Und Obamas Helfer verraten gemeinerweise auch, dass Ex-Präsident George W. Bush nun Romney unterstützt. Das hätte der jetzt gerade lieber nicht so prominent erwählt, zumal die Obama-Leute ihn als möglichen Nachfolger von Bushs gescheiterter Wirtschaftspolitik verunglimpfen. Apropos Nachfolger. Romney nennt Bush in seinen Reden immer nur Obamas Vorgänger. Never mention the bad B-word!
Obamas cleveres Team hat Romney und seine müde Kampagne bislang ganz gut unter Kontrolle. Nur: Seine Wiederwahl ist derzeit mehr von dem gefährdet, die sich knapp 5500 Meilen von Obamas Wahlkampfzentrale in Chicago ereignet – und zwar hier, wo ich gerade bin: in Athen. Heute tritt das griechische Parlament zusammen, um bei seiner einzigen Sitzung nach den Wahlen vor zwei Wochen Neuwahlen für den 10. Juni zu beschließen. Dann könnten die Parteien, die das Spardiktat von EU, IWF und EZB ablehnen, noch weiter hinzugewinnen.
Die Folge: Entweder weiterhin keine Regierung, weil sich die Parteien, besonders die linken, nicht einigen können. Chaos, Katastrophe. Eine Athener Zeitung machte darüber einen der kürzesten Witze der Welt: „Vereinigte Linke“ (ist ja grad auch in Deutschland aktuell …). Oder es kommt eine Koalition der Spargegner zustande. Horrorszenario: Rausschmiss Griechenlands aus der Euro-Zone, Spekulationen der Börsenspekulanten dann gegen Italien, Portugal, Spanien und Irland, neue Rettungsschirme, womöglich ein ökonomischer Kollaps der Euro-Zone. Die Folgen wären dramatisch, auch für die Weltwirtschaft und damit für die ohnehin schwächelnde US-Ökonomie.
Doch auch wenn es nicht so dramatisch wird. Klar ist, dass Obama dieses Mal – ja, ich wiederhole mich – von vielen Faktoren abhängt, die er nur bedingt beeinflussen kann, zumal bei den Entwicklungen in der Weltwirtschaft. Erinnert sei auch an die aktuellen Probleme Chinas.
Tja, weil das alles so schwierig ist und weil die Schließung oder die Rettung von Stahlwerken eben mit viel komplexeren Veränderungen in der globalisierten Wirtschaft zu tun hat, erwähnt es keiner im Wahlkampf. Lieber haut man sich ein paar herzergreifende Videos um die Ohren oder schickt nette Muttis vor. Es wäre einfach zu schlimm, wenn die Amerikaner erführen, dass sie ihre Probleme nicht mehr allein verursachen – und schon gar nicht allein lösen können.
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