America Fears It Will Lose Its Values

<--

Angst der USA vor Werteverlust

Damir Fras

22 | 5 | 2012

Es tobt ein Kulturkampf um die Geburtenrate in den USA.

Nach Jahren der Vorhersagen ist es statistische Wahrheit geworden: Die Vereinigten Staaten von Amerika werden in einigen Jahrzehnten ein Land sein, in dem die Weißen nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit stellen. Erstmals stellte die US-Zensusbehörde jetzt fest, dass 50,4 Prozent aller Babys, die zwischen Juli 2010 und Juli 2011 auf die Welt kamen, afro-afrikanischer, hispanischer, asiatischer oder anderer ethnischer Herkunft waren.

Die Weißen eine Minderheit im eigenen Land? Das ist eine geradezu dämonische Vorstellung für die Rechte in den USA. In den einschlägigen Blogs tobt eine heftige Debatte, was in der xenophoben Szene allerdings nichts Neues ist. Nur bislang ging es um Vorhersagen, die in Zweifel gezogen werden konnten. Jetzt geht es eine statistische Tatsache, die wegzuschreiben einfach nicht gelingen mag.

Stereotypen von Analphabetismus bis Kriminalität

So verlegen sich viele Netzschreiber aus dem rechten Lager darauf, den Überbringer der Nachricht anzuklagen. Der New York Times etwa wird im sogenannten Eagle Forum unterstellt, dass sie seit Jahren schon eine Einwanderungspolitik unterstütze, die dazu führe, dass der Einfluss von Nicht-Weißen steige. Die Folge dieser verhängnisvollen Berichterstattung sei der Verlust traditioneller amerikanischer Werte wie Fleiß, Gesetzestreue und Patriotismus.

„Die Vereinigten Staaten werden von Einwanderern umgebaut“, heißt es in dem Forum. Es folgen die allfälligen Stereotypen von Analphabetismus bis Kriminalität. Und den Schluss bildet dieser Satz: „Und sie werden für die Demokraten stimmen, wenn ihnen die Demokraten mehr staatliche Essensmarken versprechen. Die Einwanderer teilen die amerikanischen Werte nicht, also liegt der Schluss nahe, dass sie nicht für die Republikaner stimmen werden.“

Der Verweis auf das mögliche Wahlverhalten ist wahrscheinlich nicht einmal falsch. Allerdings sind nicht die Einwanderer daran schuld, sondern die Republikaner selbst. Darauf weist der linkslastige Blog Daily Kos hin. Tatsächlich haben die Republikaner in den vergangenen Jahren dutzendfach belegt, dass ihre Immigrationspolitik in Wirklichkeit eine Abschottungspolitik ist. In den US-Blogs, die politisch klar einzuordnen sind, wird ein Kulturkrieg geführt – mit Waffen, die Verleumdung heißen und Erniedrigung. Wie gut tut es da, die Gedanken von Mary C. Curtis zu lesen. Die schwarze Multimedia-Journalistin schreibt in der Washington Post, man müsse sich nur die Liste der 500 reichsten Unternehmen ansehen, um festzustellen, wer wirklich die Macht im Lande in Händen halte. Die Einwanderer sind es jedenfalls nicht, so Curtis. Sie habe sich nicht über die Nachricht gewundert, dass demnächst die Nicht-Weißen die Mehrheit stellen.

Und sie habe auch deswegen nicht hyperventiliert: „Wenn über Nacht eine tektonische Verschiebung der Identität der Vereinigten Staaten von Amerika stattgefunden haben sollte, dann habe ich die einfach verschlafen.“

About this publication