Mark Zuckerberg:From Sorcerer to Speculator

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Zuckerberg, vom Zauberer zum Zocker

von Hans-Jürgen Jakobs

23.05.2012

Facebook stand für die Kletterpartie raus aus dem wirtschaftlichen Jammertal, doch der Börsengang wird gerade zur Kapitalvernichtung der Extraklasse. Die Aktionäre sind entsetzt, Klagen sind angekündigt. Firmenchef Zuckerberg hat einen Hoffnungswert geplündert.

Die Welt liebt Helden, aber diese Zeit ist voller Anti-Helden. Sie mühen sich mit riesigen Schulden, drohenden Staatspleiten, Handelsdefiziten und Währungsturbulenzen ab. Sie leiten im Westen Konzerne, die sich der Attacken chinesischer Firmen erwehren müssen oder kaum eine Antwort auf die Herausforderungen der Klimakatastrophe haben.

Um wie viel glorioser erschien da doch der junge findige Unternehmer aus den USA, der an der Harvard University ein soziales Netzwerk fürs Internet erfunden hatte, der mehr als 900 Millionen Nutzer überall auf dem Erdball fand, der in Ehren von Staatsführern empfangen wurde und eine neue Ära der Marktwirtschaft zu begründen schien: jung, frei, digital.

Mark Zuckerberg und seine Firma Facebook schien das Symbol für den großen Aufbruch aus der Krise zu sein, für die Kletterpartie raus aus dem ökonomischen Jammertal. Mit einer Aufmerksamkeit, die sonst nur Stars aus Hollywood zuteil wird, ging der 28-Jährige am vorigen Freitag in New York an die Börse – und legte dort einen der schlimmsten Flops der jüngeren Wirtschaftsgeschichte hin. Binnen weniger Tage hat sich der Wert des Blendwerks Facebook um gut 19 Milliarden Dollar dezimiert, also um ein Sechstel. Das ist Kapitalvernichtung des Extraklasse.

Die Aktionäre sind entsetzt. Klagen sind angekündigt. Die Börsenaufsicht und der Regulierer ermitteln. Immer mehr Ungereimtheiten rund um den drittgrößten Börsengang in der US-Geschichte tauchen auf und legen nahe: Mark Zuckerberg ist kein Zauberer, er ist ein Zocker. Der hippe Gründer, seine Spießgesellen im Unternehmen und die begleitenden Banken haben nach allen Regeln der Gier Kasse gemacht. Sie haben einen Hoffnungswert geplündert. Das ist bitter für das System Börse, für den Standort USA und für die Netz-Gemeinde.

16 Milliarden Dollar haben die alten Facebook-Investoren durch diesen Skandal-Börsengang erlöst, die Banken nahmen mehr als 160 Millionen Dollar an Gebühren ein. Offenbar wurden in letzter Minute vor dem großen Abkassieren die Umsatzprogosen gesenkt, wovon nur Insider etwas mitbekamen. Und weil der Hype so groß war, erhöhten die Banken rund um Morgan Stanley kurz vor Ultimo die Zahl der ausgegebenen Aktien drastisch: auf 421 Millionen Papiere. Der Ausgabepreis lag mit 38 Dollar am oberen Rand. Klammheimlich erhielten einige Investoren das Recht, schon nach 90 Tagen – und nicht wie üblich nach 180 Tagen – ihre Papiere loszuschlagen. Der Glaube an künftiges Wachstum war wohl weniger stark ausgeprägt als der Drang zum schnellen Geld.

Bürgerlicher Hacker im Kapuzenpulli

Niemand hat sich ein solches Debakel vorstellen können. Nicht einmal die vielen Kritiker, die auf das große Einmaleins verwiesen und erklärten, Facebook könne wohl kaum mehr als das Hundertfache des Jahresgewinns wert sein. Es half nichts: Das Chaos um erteilte und stornierte Orders führte gleich beim Börsenstart zu gravierenden Software-Problemen. Wer da einstieg, musste mit einstürzenden Kursen leben. All die Hausfrauen und Hobby-Börsianer, die etwas vom Boom abhaben wollten, kamen zu spät. Der Rahm war abgeschöpft. Die Profis waren schon da.

Die Sache liegt anders als etwa im Fall der deutschen Blendfirma EM.TV vor 15 Jahren in der New Economy. Die hatte klein begonnen, ehe sie das Fantasieren anfing, und wer in den ersten zwei Jahren dabei blieb und rechtzeitig verkaufte, konnte sich ein Eigenheim im Grünen leisten. Etwas Vergleichbares wird bei Facebook nicht so schnell passieren. Keiner weiß, ob der Umsatz weiter stark wächst oder ob er eben fällt, weil die Leute mit Facebook keine Werbung auf ihre Handys geschickt bekommen wollen. Keiner weiß, ob der Börsenneuling aus dem Silicon Valley nicht den Weg von MySpace gehen wird: Die einst beliebte Plattform ist nach unten durchgereicht worden, sie hat kaum noch Fans.

Der Fall Facebook bestätigt das Schlimmste am Finanzkapitalismus. In einer Situation, in der weltweit die Börsenkurse unter Druck stehen, liefert er das Beispiel für organisierte Gier. Das bringt die beteiligten Banken in Misskredit. Darunter ist JP Morgan – ein Institut, das gerade mindestens zwei Milliarden Dollar, vielleicht auch fünf Milliarden mit Spekulationen am Kapitalmarkt verloren hat.

Zuckerbergs Abkassiermodell passt ebenso nicht recht zu einer Klientel, die sich gerne anti-kapitalistisch gibt, ein wenig anarchisch und piratenhaft, mit Freude am Diskurs und an Kampagnen, die grenzenlose Freiheiten reklamiert, zum Beispiel beim Urheberrecht. Facebook will in dieser Welt für eine Neuordnung sorgen, für ein persönliches Netz, eine Art Poesiealbum für alle.

Jenseits des Zuckerberg-Gesäusels, wonach es seine Mission sei, “unsere Welt offener zu machen und stärker miteinander zu vernetzen”, zeigt sich: Der Chef ist ein Spekulant. Es geht ihm um den Reibach. Er ist ein bürgerlicher Hacker, der im Kapuzenpulli vor den Bankern erschien und die Börsen-Milliarden nach Art der Programmierer feierte, mit Red Bull und DJ. Sein Griff in den Geldbeutel der Aktionäre ist nichts anderes als finanzielles Hacking. Auch Mark Zuckerberg ist ein Pirat, freilich ein extrem reicher.

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