“The US Is as Broke as the Greeks in 2010”

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“Die USA sind so pleite wie Griechenland 2010”

Vier Fachleute fragen sich, ob China das 21. Jahrhundert beherrschen wird. Während Henry Kissinger auf die Kunst der Selbstbeherrschung setzt, sieht Niall Ferguson ein bankrottes Amerika am Horizont.

Wer hat Angst vor den Chinesen? Alle, so möchte man meinen: die beständig schwächer werdenden Europäer genauso wie die hoch verschuldeten Amerikaner, die alternde japanische Gesellschaft genauso wie die unmittelbaren Nachbarn der Volksrepublik. Anders als die Amerikaner haben die Europäer allerdings keine Mittel, ihre Furcht zu zähmen.

Wer wissen will, welche politische Strategien Europa mit Blick auf Peking hat, der wird ahnungslos bleiben. Europa betrachtet China als Exportmarkt und besitzt keine politischen Perspektiven. Nicht so die USA. Dort machen sich die führenden Köpfe seit geraumer Zeit Gedanken, ob das nächste Jahrhundert ein chinesisches sein wird und auf welche Weise der Westen darauf zu antworten habe. Die Ideen reichen von der Forderung, die Eindämmungspolitik wieder aufleben zu lassen, die George Kennan gegenüber der Sowjetunion entwarf, bis hin zu einem umfassenden Kooperationsangebot.

Jeder der Diskutanten hat Recht

All das ist den Kennern der Materie seit Jahren bekannt. Wer die politischen Diskussionen jenseits des Atlantiks allerdings weder verfolgt noch die oft ziegelsteinschweren Studien zum Thema gelesen hat, dem bietet nun ein Gesprächsband Orientierung. Auf hundert Seiten stellen einige Wortführer der Debatte ihre Thesen vor. Niall Ferguson, Henry Kissinger, Fareed Zakaria und der Chinese David Li drehen und wenden das Thema auf unterschiedliche Weise, wobei nur einer von ihnen – Niall Ferguson, der Wirtschaftshistoriker aus Harvard – tatsächlich glaubt, Peking werde das 21. Jahrhundert beherrschen.

Merkwürdig an dem 2011 in Kanada geführten Gespräch ist allerdings: Jeder der Diskutanten hat Recht. Die vier betonen jeweils andere Aspekte, die für sich genommen, allesamt zutreffen.

Ferguson etwa fürchtet Chinas Aufstieg weniger als den westlichen Abstieg. “Während wir hier sitzen, zerfällt die Eurozone, und das Experiment mit der Einheitswährung scheitert vor allem aufgrund der Insolvenz Griechenlands. Und wenn Sie nachrechnen, befinden sich die Vereinigten Staaten mit ihren Staatsfinanzen heute ungefähr an dem Punkt, an dem Griechenland vor zwei Jahren stand. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, ehe die Vereinigten Staaten in eine Haushaltskrise stürzen, die alles bisher Dagewesene übertrifft.” Ferguson warnt davor, dass China die Schwäche der Amerikaner nutzen wird, seine Interessen rücksichtslos durchzusetzen.

Jedes Jahr 24 Millionen Arbeitsplätze

Zakaria hingegen betont die Schwierigkeiten, vor denen Peking steht. Das Land müsse jedes Jahr 24 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, um die Gesellschaft zu stabilisieren. Ein Staat mit derartigen Problemen könne die Welt nicht beherrschen, so Zakaria.

Ihm schließt sich Kissinger an. Er hofft darüber hinaus, dass China die Kunst der Selbstbeherrschung erlerne. Auf jeden Fall müsse ein Konflikt zwischen Washington und Peking verhindert werden, so der frühere amerikanische Außenminister. Sollte er dennoch drohen, erinnert Kissinger an den Grundsatz des Mächtegleichgewichts. Es gebe in Chinas Nachbarschaft genug Länder, die aus Furcht vor Peking das Bündnis mit Amerika suchten.

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