US Aircraft Carrier Fleet Under Threat, Myth of Naval Might Faces Chinese Challenge

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Amerikas Flugzeugträger zunehmend bedroht

Der Mythos maritimer Macht vor chinesischer Herausforderung

Der Aufstieg Chinas zur militärischen Grossmacht zwingt die amerikanische Flotte zur Neubewertung ihres wichtigsten Instruments, der grossen Flugzeugträger. Deren Macht ist ungebrochen, aber sie könnten verwundbarer werden.

Im Gegensatz zu Europa steigen die Rüstungsausgaben in zahlreichen Staaten des Fernen Ostens. Die Ursache dieser Spirale ist China. Sein wirtschaftliches Erstarken fördert die Abhängigkeit von Rohstoffen, die Sicherheit seiner Seeverbindungen wird lebenswichtig. Mit zunehmender Prosperität steigt auch das Selbstbewusstsein. China signalisiert Ansprüche auf das gesamte Süd- und Ostchinesische Meer und einen wesentlichen Teil des Westpazifiks. Gerade weil in diesen Regionen auch grosse Rohstoffvorkommen vermutet werden, schürt dieser Kurs das Unbehagen bei anderen Anrainern wie Südkorea, Japan, Vietnam, Malaysia, den Philippinen oder Singapur. Es liegt auf der Hand, dass diese Staaten vermehrt die Nähe zu den USA suchen, die aus ihrer Sicht der alleinige Garant für die freie Schifffahrt und für den freien Zugang zu den Ressourcen sind.

China greift aufs Meer aus

Ein grosser Teil der massiven Rüstung – allein 2012 sind für die chinesische Volksbefreiungsarmee insgesamt 106 Milliarden Dollar vorgesehen – ist für den Ausbau der maritimen Komponente vorgesehen. Der geistige Vater der modernen chinesischen Marine ist Admiral Liu Huaqing. Liu hatte bereits in den achtziger Jahren in einem Dreiphasenplan die Ausweitung der chinesischen Interessen und eine Flugzeugträger-Flotte postuliert. Das erste Schiff dieser Art, die noch aus dem sowjetischen Inventar stammende «Varyag», die neu vermutlich «Shi Lang» heissen wird, hat im November 2011 erste Testfahrten unternommen. Die Umsetzung der maritimen Vorstellungen Lius ist im Gange.

Eine chinesische Entwicklung hat in letzter Zeit in Fachkreisen besondere Aufmerksamkeit erweckt, nämlich jene der ballistischen Lenkwaffe Dong Feng 21D, die angeblich mit einer mittleren Treffgenauigkeit von 5 Metern über eine Distanz von über 1500 Kilometern mit endphasengelenkten Sprengköpfen auch gegen bewegliche Ziele eingesetzt werden kann. Ins Zentrum des Interesses rücken damit vor allem die amerikanischen Flugzeugträger, gegen welche sich diese Waffe in erster Linie richten dürfte. Die DF-21D wird als sogenanntes Anti-Access- oder Area-Denial-Waffensystem betrachtet, das den völkerrechtlich garantierten freien Zugang zu den Interessengebieten Chinas gefährdet. Das ist neu.

Die elf Flugzeugträger-Kampfgruppen der US Navy stellen nach wie vor die Kernelemente der amerikanischen Seestrategie dar. Diese Kolosse haben ihren Nimbus bis in die Gegenwart behalten. Sie stellen die Projektion von Macht oder die Abschreckung dar, wie zahlreiche Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg belegt haben. Flugzeugträger sind bedeutende Instrumente von Seestreitkräften. Ihre Bewegungen werden registriert und zur Kenntnis genommen. Sie sind rasch verlegbar und als schwimmende Luftstützpunkte einsetzbar. Das Operationsgebiet der Flugzeugträger ist die offene See. Sie sind nicht auf Durchfahrtrechte oder Überflugbewilligungen angewiesen und damit eine ideale Ergänzung bestehender fester Luftstützpunkte. In Ermangelung solcher Basen sind sie die einzige Alternative, um rasch und kraftvoll militärische Macht einzusetzen. Die Operationen im Irak und in Afghanistan waren bzw. sind typische Beispiele dafür.

Intensive Debatten

Träger sind aber auch wertvolle Mittel der ersten Stunde, um in Katastrophensituationen (Tsunami in Indonesien, «Fukushima» in Japan) erste Hilfe zu leisten. Der etwas verkürzte Slogan, dass ein Flugzeugträger «ein 100’000-Tonnen-Stück-Diplomatie» sei, ist nicht ganz falsch. Verbündete und Partner akzeptieren die Präsenz von Trägern mehrheitlich als vertrauensbildend, potenzielle Gegner und unberechenbare Regime tun gut daran, ihre Präsenz ins eigene Kalkül einzubeziehen.

Dies alles täuscht aber nicht darüber hinweg, dass der Flugzeugträger derzeit in teilweise heftigen Auseinandersetzungen, auch in den USA, hinterfragt wird. Das ist zwar nicht neu, denn solche Diskussionen gab es bereits in früheren Regierungen, so etwa unter Präsident Nixon, dessen Flottenstabschef, Elmo Zumwalt, den Bau von kleineren Flugzeugträgern, sogenannten Sea Control Ships, befürwortete. Auch der berühmte Admiral und ehemalige CIA-Chef Stansfield Turner hat die heutigen Flugzeugträger wiederholt hinterfragt, zuletzt 2006. Die jüngste Kritik orientiert sich vor allem an neuen Bedrohungen, am Sparzwang und an den immensen Kosten für den Bau und den Betrieb dieser Schiffe.

Der Sparzwang im amerikanischen Haushalt, der mit mindestens 487 Milliarden Dollar über die nächsten 10 Jahre den Verteidigungsetat hart treffen wird, ist zweifellos ein ernstzunehmender Faktor. Auch die Tatsache, dass die Beschaffung der zwei nächsten Flugzeugträger, der «Gerald Ford» (CVN 78) und der «John F. Kennedy» (CVN 79), je 12 bis 13 Milliarden Dollar und jene der Marinefliegergeschwader je weitere 5,7 Milliarden verschlingen soll, verstärkt die Forderung, die Zahl der 11 Superträger auf 8 zu reduzieren. Dies sei verantwortbar, wenn sich die Regierung bei Einsätzen in Konfliktregionen geringer Intensität mit weit kostengünstigeren amphibischen Helikopterträgern begnüge, sagen Kritiker.

Eine neue Bedrohungsform

Für die Zukunft des Flugzeugträgers ist aber die Frage nach der Verwundbarkeit eine ganz entscheidende. Und diese Frage hat angesichts der Entwicklung der Dong Feng 21D die Diskussion um eine weitere Existenzberechtigung wie selten zuvor entfacht, weil manche meinen, dass dadurch die bisherige Korrelation der Kräfte erheblich beeinflusst werde. Traditionelle Bedrohungen für Trägerverbände wie konventionelle U-Boote, die im pazifischen Raum eine beträchtliche Verbreitung erfahren, gehören zu den grössten Gefahren, ebenso wie Marschflugkörper. Trotzdem handelt es sich hier um Techniken, mit denen die amerikanischen Streitkräfte vorerst noch fertig werden können.

Die DF-21D hingegen ist eine neue Dimension, auch wenn noch nicht bewiesen ist, dass sie tatsächlich über jene Fähigkeiten verfügt, die ihr attestiert werden. Aber selbst wenn dies heute noch nicht der Fall sein sollte, tun Streitkräfte gut daran, sich auf diese neue Bedrohung einzustellen. Die Dong Feng 21D setzt etwas voraus, was man China derzeit noch nicht zutraut, nämlich ein komplexes, breit abgestütztes und teilweise weltraumgestütztes Aufklärungs-, Kommunikations- und Kontrollsystem. Ein solches System müsste in der Lage sein, einen Trägerverband nicht nur zu orten, zu identifizieren, permanent mit Satelliten zu verfolgen und die Daten möglichst verzugslos an die Waffenträger zu übermitteln, sondern eine DF-21D auch zu starten und erfolgreich unter maximaler Schadenszufügung ins bewegliche Ziel zu führen.

In dieser Architektur müssten zudem in unmittelbarer Nähe zum Träger-Kampfverband auch luftgestützte Aufklärungsmittel, U-Boote und andere Informationsbeschaffungsmittel vorhanden sein, um laufend und aktuell die Zielkoordinaten zu liefern. Es ist auch in Zeiten hochmoderner Satellitenaufklärung äusserst anspruchsvoll, in einem Seegebiet von Tausenden von Quadratkilometern einen Flugzeugträger zu finden. Die Tatsache, dass China selber den Bau von fünf bis sechs Flugzeugträgern plant, relativiert übrigens die Bedeutung der DF-21D.

Träger im Verband

Eine absolute Unverwundbarkeit gibt es demnach auch für Flugzeugträger-Kampfverbände nicht. Das Spektrum der Bedrohung beschränkt sich übrigens nicht auf die traditionellen Gefahren. Es gibt auch erhebliche asymmetrische Risiken. Sabotage, Kaperung oder gezielt herbeigeführte Kollisionen, Sprengstoffanschläge auf ankernde Träger oder auf Trägerverbände in Engnissen wie dem Suezkanal oder den Strassen von Gibraltar und Malakka sind Gefahren, die von der Navy bereits heute ernst genommen und mit beträchtlichem Aufwand angegangen werden.

Den erwähnten, höchst anspruchsvollen Fähigkeiten zum Einsatz einer DF-21D haben die amerikanischen Streitkräfte einiges entgegenzusetzen. Ein Trägerverband agiert in Regionen mit hohem Konfliktpotenzial nie allein. Er dürfte dort im Verbund mit einer oder zwei weiteren Kampfgruppen fahren. Und diese operieren nicht in einem Vakuum. Sie sind Teil eines umfassendes Systems, das die gesamten strategischen Aufklärungs- und Führungsfähigkeiten der amerikanischen Streitkräfte einbindet. Die im November 2011 verabschiedete Air-Sea-Battle-Doktrin ist ein operatives Konzept, das nicht zuletzt aus diesen Gründen geschaffen worden ist. Es integriert die operativ-taktischen Fähigkeiten der Luftwaffe, der Navy und des Marine Corps und ergänzt diese mit Elementen des Weltraumkommandos, des Strategic Command, des Cyber Command sowie der Nachrichtendienste (NSA, CIA usw.).

Dies dient unter anderem dem Ziel, sich nicht auf den Pfeil, sondern auf den Bogenschützen zu konzentrieren. Im Klartext heisst dies, dass die offensiven und defensiven, netzwerkzentrierten Abwehrmassnahmen nicht vom Träger-Kampfverband allein getroffen werden können, sondern beispielsweise mittels elektronischer Kriegführung, Informationskriegführung, des Einsatzes von Abstandswaffen, von Präzisionsschlägen durch strategische Stealth-Bomber gegen die Führungs- und Übermittlungseinrichtungen und gegen die Abschussrampen einer Dong Feng 21D mehrschichtig und tief gestaffelt zu erfolgen haben.

Langfristige Perspektiven

Diese Kombination von strategischen und operativen Massnahmen wird schliesslich überlagert und verstärkt von dreidimensionalen aktiven und passiven Möglichkeiten, über die der Träger-Kampfverband selber verfügt. Dazu gehören beispielsweise seine Ausdauer, seine Beweglichkeit und Schnelligkeit von bis zu 50 Kilometern pro Stunde, die eigenen bord- und landgestützten Aufklärungsmittel (bemannt und Drohnen), die Dezentralisierung der Kräfte, ferner die eigenen Abwehrmittel mit bis zu 44 Kampfflugzeugen FA-18E/F Super Hornet pro Träger sowie Begleitschiffe und Atom-U-Boote des Kampfverbandes, die zur Bekämpfung gegnerischer U-Boote und anderer Beschatter eingesetzt werden können.

Weiter stehen Mittel zur elektronischen Kriegführung, Lenkwaffen zur Abwehr ballistischer Raketen des Typs SM-3 und Träger-eigene Luftabwehr-Lenkwaffen zur Verfügung. Schliesslich ist ein Trägerverband durchaus in der Lage, mittels Emissionskontrolle (gezieltes Abschalten sämtlicher Radars und Fernmeldemittel) und allenfalls begünstigt von Wetterfaktoren einen potenziellen Gegner und Beschatter abzuschütteln. Diese Möglichkeiten können einerseits mit Täuschmanövern (ein Begleitschiff, weit abgesetzt vom Träger, generiert das Radarprofil eines Trägers) und andererseits mit dem Stören gegnerischer Radars, mit Raketen und Flugzeugen ergänzt werden. Im schlimmsten Falle sind Träger in der Lage, schwere Treffer zu verdauen und Reparaturen innert Stunden durchzuführen.

Die Zukunft des Superträgers ist mittelfristig kaum gefährdet, die neuesten Einheiten haben eine Lebensdauer von 50 Jahren. Die gegenwärtige Entwicklung weltweit wird die USA aber zwingen, ihre Rolle zu überdenken und sie auf die neuen hybriden Gefahren und Bedrohungen auszurichten. Dabei dürften auch Fragen der Modularität, der Zusammensetzung der Marineflieger-Geschwader oder der Einsatz eines Trägers als Plattform für kombinierte militärisch-zivile Operationen berücksichtigt werden müssen.

Weniger könnte besser sein

Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Superträger von gegenwärtig 11 schrumpfen wird. Ein künftiges Inventar dürfte dann aus einer Mischung von Super-Flugzeugträgern und etwas kleineren Trägern bestehen, wobei sich der Einsatz der grossen Flugzeugträger ausschliesslich auf Konfliktregionen hoher Intensität zu beschränken hätte. Es wird auch zu prüfen sein, ob gewisse Aufgaben nicht durch andere Schiffe, U-Boote, Drohnen oder andere Mittel übernommen werden können.

Die Supermacht USA wird weiterhin ihre Interessen fernab des eigenen Kontinents wahrnehmen. Sie wird bestrebt sein, potenzielle Konflikte am Ort einzudämmen und wenn nötig auch militärisch zu lösen. Damit werden weiterhin Seestreitkräfte und vorderhand auch Verbände wie Flugzeugträger-Kampfgruppen erforderlich sein. Schliesslich kann eine Diskussion über den Einsatz einer DF-21D gegen eine Flugzeugträger-Kampfgruppe nur hypothetisch sein, denn ein solcher wäre zweifellos ein letztes Mittel in einer eskalierenden Auseinandersetzung, welche jeglicher Vernunft entbehren würde.

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