America Applauds, Europe Sits on its Hands

<--

Amerika klatscht, Europa schweigt

Von Bettina Vestring

05. Juni 2012

Immer öfter befiehlt US-Präsident Obama den Einsatz von Drohnen gegen mutmaßliche Terroristen. In den USA ist die Zustimmung zu den ferngesteuerten Tötungen groß. Europa schweigt dagegen unbehaglich – und macht sich durch sein Schweigen mitschuldig.

Den Amerikanern gefällt es. Wenn US-Präsident Barack Obama, wieder einmal einen Drohnenangriff gegen mutmaßliche Terroristen genehmigt hat, gibt es in den USA dafür praktisch nur Beifall. Zapp, wieder ist einer tot! Und das ohne jedes Risiko für die eigenen Soldaten! In einem Land, wo es zum Nationalstolz gehört, Waffen zu tragen und für die Todesstrafe einzutreten, ist diese Begeisterung nur folgerichtig.

Obama, der wahlkämpfende Präsident, nutzt die Stimmung weidlich aus. Immer öfter befiehlt er Drohneneinsätze, immer detailreicher lässt er durchsickern, wie sie geplant und ausgeführt werden. So sind wir alle darüber informiert, dass Obama höchstpersönlich in jedem einzelnen Fall das Todesurteil fällt, nachdem er Kurzlebensläufe und Fotos der Verdächtigen studiert hat. Auch das gefällt den meisten Amerikanern, dass sich ihr Präsident zum Richter über die Bösen aufschwingt.

2.836 Tote bei Drohnenangriffen in Pakistan zählt die Webseite pakistanbodycount.org seit 2004. Beim bisher letzten Angriff am Montag könnte nach Angaben des pakistanischen Geheimdienstes sogar die Nummer Zwei des Terror-Netzwerks Al Kaida, der Libyer Abu Jahja al-Libi, getroffen worden sein. Für Obama wäre dies der größte Erfolg seit der Tötung von Osama bin Laden 2011 – ein Grund zu feiern, auch wenn es noch Monate dauern könnte, bis die Identität der Toten wirklich zweifelsfrei feststeht.

Europas Schweigen

Obamas Nationaler Sicherheitsberater John Brennan hielt vor einigen Wochen einen interessanten und sehr ausführlichen Vortrag, um etwaige Zweifler von der völkerrechtlichen Zulässigkeit der gezielten Tötungen zu überzeugen. Für die meisten Amerikaner wäre das nicht nötig gewesen. Sie nehmen noch nicht einmal Anstoß daran, dass die Obama-Administration ganz offen sagt, dass sie jeden Mann im wehrfähigen Alter, der bei einem Drohnenangriff getroffen wird, als Feind zählt – es sei denn, posthum könne das Gegenteil bewiesen werden.

So weit Amerika. Und wir?

Europa zeichnet sich in der Debatte um die Drohnen vor allem durch eines aus: durch Schweigen. Keine europäische Regierung macht mit bei der ferngesteuerten Jagd auf Terroristen, aber es gibt auch keine, die sie laut kritisieren würde. Am deutlichsten äußerte sich noch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, der Anfang Mai von einem “strategischen Fehler” sprach. Er hält es für unklug, dass US-Piloten von den USA aus solche Einsätze durchführen, ohne je selbst im Einsatzgebiet gewesen zu sein.

So war es auch bei Guantanamo

Soweit ein Bericht von tagesschau.de. Nirgendwo sonst war de Maizières Kritik zu finden; er hatte sie nicht etwa öffentlich geäußert, sondern auf einer Veranstaltung des Reservistenverband. Bundeskanzlerin Merkel wiederum hat sich zu dem Thema überhaupt noch nicht geäußert, obwohl offenbar schon zwei deutsche Staatsbürger bei Drohnen-Angriffen starben.

Dieses offizielle Schweigen erinnert auf höchst ungute Weise an die Anfangszeit von Amerikas Krieg gegen den Terror: Damals, als US-Spezialkräfte auf Anweisung von US-Präsident George Bush in Afghanistan und Pakistan beliebige Verdächtige aufgriffen, um sie in Käfigen auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo einzusperren. Es dauerte Jahre, bevor die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder auch nur die leiseste Kritik daran äußerte.

Der Grund damals ist derselbe wie heute: Zwar ist das Unbehagen über diese besonders robuste Art der Terrorismus-Bekämpfung groß. Aber noch größer ist die Erleichterung, dass die Amerikaner es übernommen haben, Leute zu beseitigen, von denen einige tatsächlich eine große Gefahr darstellen. Obama macht das sogar noch besser als sein Vorgänger Bush, denn nach den Drohnen-Angriffen ist niemand mehr übrig, der der Welt ihr Gewissen in Erinnerung rufen könnte.

About this publication