Welcome to the Era of Cyberwarfare

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Bis Freitag war es ein gut informiertes Gerücht, nach einem Enthüllungsbericht der New York Times darf es nun als bestätigt gelten: Der Computerwurm Stuxnet, der die Steuerungscomputer der iranischen Urananreicherungsalage in Natans befallen hatte, war ein Projekt der amerikanischen Regierung, an dem auch Israel mitgearbeitet hat. Die Amerikaner haben die erste digitale Bombe der Geschichte gezündet.

Der Autor des Times-Artikels scheint privilegierten Zugang zu hochranigen Quellen in der US-Regierung bekommen zu haben. Das Weißen Haus hat offenbar ein Interesse daran, Barack Obama im Wahlkampf als Präsidenten darzustellen, der entschlossen und unkonventionell handelt, wenn es um nationale Sicherheitsinteressen geht.

Der “Cyberwar” ist die Waffe des 21. Jahrhunderts und man wird davon ausgehen können, dass Russland, China und andere Staaten längst mitmischen in diesem Schattenkrieg. Die USA sind aber nun die ersten, die – wenn auch nicht mit Klarnamen – zugeben, in diesem Krieg die erste digitale Bombe benutzt zu haben. Denn solch einen ausgefeilten Virus zur Beschädigung kritischer Infrastruktur eines verfeindeten Landes hatte es bis dato nicht gegeben.

Mehr Zeit für Diplomatie

Stuxnet ist auch der erste Virus, der nicht nur Computer auspäht oder lahmlegt, sondern der echte physische Zerstörung angerichtet hat, weil er iranische Uranzentrifugen zur Explosion brachte. Leider hat der Virus das iranische Atomprogramm nur verlangsamt, aber nicht entscheidend behindert.

Es gibt gute und vertretbare Gründe für den Einsatz von Stuxnet. Der Virus sollte Obama mehr Zeit für Diplomatie verschaffen. Er richtete sich gegen eine Anlagensteuerung, die Teheran sich illegal beschafft hatte. Und er beschädigte einen Teil des Nuklearprogramms, welches der Iran zunächst illegal und im Geheimen begonnen hatte und nach seiner Öffentlichwerdung gegen den Willen des UN-Sicherheitsrates weiter betrieb.

Es ist auch allemal besser, ein friedensbedrohendes Land wie den Iran mit einem Computervirus anzugreifen, als mit echten Bomben. Aber ein quasi kriegerischer Akt ist es eben doch.

Neue Ära im Cyberwar

Und so markiert der Einsatz von Stuxnet den Moment, an dem die Welt faktisch in die Ära des Cyberkriegs eingetreten ist. Das ist vergleichbar mit Technologiesprüngen wie dem ersten Einsatz von Schießpulver, der Erfindung des Panzers oder dem Abwurf der ersten Atombombe. Eine erneute Büchse des Pandora ist geöffnet worden.

Die US-Regierung muss sich nun aber fragen lassen, ob es nicht besser gewesen wäre, den Ursprung der Attacke und seine Details im Vagen zu lassen, statt sich damit zu brüsten. Das hätte Obama vielleicht weniger Imagepunkte gebracht. Der Sicherheit Amerikas wäre es aber dienlicher gewesen.

Denn da Amerika nun als Cyberangreifer enttarnt ist, senkt das die Hemmschwelle für Feinde des Landes, ihrerseits Cyberangriffe gegen Amerika zu versuchen. Obama hat den Cyber-Damm eingerissen. Es wird schwer sein, ihn nach dem Quasi-Eingeständnis in der New York Times wieder aufzurichten.

Die erstaunlich detaillreichen Leaks sind aber auch inhaltlich gefährlich. Sie helfen dem Iran, zu rekonstruieren, was in Natans tatsächlich passiert ist und sich besser gegen zukünftige Attacken zu wappnen. Und sie können als Blaupause dienen für andere Staaten, wie man einen erfolgreichen Cyberangriff durchführt. Gegen wen auch immer.

Die US-Regierung wollte mit den Enthüllungen die Meriten von Barack Obama als sicherheitspolitischem Hardliner herausstreichen. Tatsächlich hat sie aber gezeigt, dass ihr das Image des Präsidenten zur Not wichtiger ist als die Sicherheitsinteressen des Landes.

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