Obama Lacks the Fire

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Obama fehlt das Feuer

von Markus Ziener

14.06.2012

Der US-Präsident steckt in einem Dilemma. Die Schwäche der heimischen Wirtschaft ist nicht sein Verschulden, trotzdem lasten es ihm die Bürger an. Will Obama die Wahl gewinnen, muss er seine Leidenschaft wiederentdecken.

Wieder soll es eine große Rede richten. Und wieder soll es Ohio sein, so wie schon vor den Wahlen 2008 und 2010, als Barack Obama in den amerikanischen Rust-Belt, den industriellen Rostgürtel, zog, um dort eine bessere Zukunft zu versprechen. Heute also wird der Präsident in Cleveland sagen, dass er sich um den Mittelstand kümmern werde und dass er nichts davon halte, den Reichen so lange immer mehr zu geben, bis von deren Tischen etwas für die anderen abfällt. Seine Fans werden Obama dann euphorisch zujubeln, und der Präsident wird für einen langen Moment glauben, dass er den richtigen Ton getroffen hat und dass er am 6. November siegen wird.

Nur: So wird Obama nicht gewinnen. Barack Obama, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, wird verlieren, weil ihm eine Mehrheit der Amerikaner seine Versprechen nicht mehr abnimmt. Er wird verlieren, nicht etwa, weil sein Konkurrent besser ist – denn das ist er mitnichten. Obama wird verlieren, weil er bislang nicht mehr anzubieten hat als ein „Weiter so“. Doch dieses „Weiter so“ ist deprimierend. Es steht für hohe Arbeitslosigkeit, hohe Schulden, es steht für politischen Stillstand und unerfüllte Hoffnungen.

Dass dies so ist, ist zwar am wenigsten Obama anzulasten. Aber es ist dieser Präsident, in dessen Amtszeit genau dies alles geschieht. Und so, wie viele Amerikaner glauben, dass der Präsident im Weißen Haus jeden Morgen die Höhe des Benzinpreises festlegt, genauso werden sie glauben, dass Obama höchstpersönlich an der Arbeitslosenquote dreht und am Schuldenstand. Dagegen ankommen kann Obama jedoch nicht mehr mit neuen Versprechen. Der Mann, dessen große rhetorische Gabe ihn vor vier Jahren an die Macht gebracht hat, muss sich etwas anderes einfallen lassen.

Dabei ist natürlich richtig, dass Obama das Pech an den Hacken klebt. Kein amerikanischer Nachkriegspräsident musste so lange auf die wirtschaftliche Erholung warten. Keiner musste sich mit einer derart auf Obstruktion getrimmten republikanischen Opposition herumplagen. Kein US-Präsident musste für ein großes und richtiges gesellschaftliches Projekt wie die Gesundheitsreform derart Prügel und persönliche Diffamierung einstecken. Und kein Präsident konnte bisher so wenig Kapital aus der Tatsache schlagen, dass er die Sicherheit des Landes gewährleistet und einen Topterroristen und Massenmörder zur Strecke gebracht hat.

Politik im 21. Jarhhundert ist nicht fair

Ist dies fair? Natürlich nicht. Aber eben so funktioniert Politik im 21. Jahrhundert. In einer Zeit, die von wachsender Kurzatmigkeit geprägt ist, von immer schnelleren Urteilen über politisches Handeln und einem verfallenden historischen Gedächtnis. Deswegen liegt Obama auch falsch, wenn er auf die Ursachen der Krise hinweist, die vor seiner Zeit begründet sind oder deren Bekämpfung nicht in seiner Macht liegt. Mit solchen Hinweisen erntet man Mitleid, aber man gewinnt keine Wahlen. Genauso wenig, wie man in den USA siegt, indem man den wirtschaftlichen Erfolg des Konkurrenten schlechtredet – wie geschehen gegenüber Mitt Romney, der sein Geld als zuweilen ziemlich skrupelloser Investor gemacht hat. Erfolg verteufeln in Zeiten, wo eine ganze Nation nach Erfolg lechzt? Keine gute Idee.

Noch immer stimmt deshalb, was Bill Clintons genialer Berater James Carville vor exakt 20 Jahren dem damaligen Aufsteiger aus Arkansas empfahl, als der sich daranmachte, den amtierenden Präsidenten George H.W. Bush aus dem Sattel zu heben: „It’s the economy, stupid“, es kommt auf die Wirtschaft an, Dummkopf.

Seither sprach Clinton in seinem Wahlkampf 1992 von dem, was sich unter seiner Führung zum Besseren wenden wird und warum die USA neue Kraft schöpfen werden. Clinton arbeitete sich nicht wie Obama an Wall-Street-Milliardären ab, die sich die Taschen füllten. Clinton sorgte für jugendliche Aufbruchsstimmung. Wirtschaft ist Psychologie, Vertrauen, Lust am Risiko. Das galt damals, wie es auch heute gilt.

Der Charismatiker Obama könnte im Grunde genau das – wenn er nur endlich über seinen Schatten spränge, den Intellektuellen wegpackte und seine Leidenschaft wiederentdeckte. Weil das aber nicht passiert, steigt knapp fünf Monate vor dem Wahlgang die Nervosität bei den Demokraten so sehr, dass nun ausgerechnet jener James Carville ein Memo verfasst hat. Darin schreibt er Obama auf, was dieser an seiner Botschaft ändern muss, will er im November eine Chance haben: „Zeig den Menschen, dass du ihre Sorgen verstehst“, sagt Carville. „Und erkläre ihnen, wie du ihre Lage verbessern willst. Aber rede nicht davon, dass im Grunde alles okay ist und wir nur durchhalten müssen. Nach vier Jahren Krise ist dieses Argument keines mehr. Es richtet sich gegen dich.“ Auch diese Empfehlung klingt nach Bill Clinton und dessen Satz „I feel your pain“, ich fühle deinen Schmerz, der seinem Wahlkampf vor 20 Jahren Menschlichkeit gab. Obama sollte hinhören. Jetzt.

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