Romney’s Wide Detour Around Berlin

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Romneys weiter Bogen um Berlin

von Sabine Muscat

24.07.2012

Mitt Romney lässt auf seiner Europa-Reise einen Stopp in Deutschland aus. Damit tut er nicht nur sich selbst einen Gefallen.

Mitt Romney kann aufatmen: Angela Merkel hat keine Zeit für ihn. Wenn der US-Republikaner an diesem Mittwoch zu seiner Auslandsreise aufbricht, genießt die Bundeskanzlerin den Auftakt der Wagner-Festspiele in Bayreuth. Von dort geht es weiter in den Sommerurlaub nach Südtirol. Die Terminabsprache habe leider nicht geklappt, ließ Romneys Wahlkampfteam wissen. Und mancher Berater mag gedacht haben: Gott sei Dank!

Die Reise, die den Präsidentschaftskandidaten nach Großbritannien, Israel und Polen führen wird, ist auch so schon ein diffiziler Balanceakt. Für Romney ist sie die Chance, sich den Amerikanern als Staatsmann vorzustellen. Aber sie bringt zugleich die Herausforderung mit sich, dass er zu Themen Stellung nehmen muss, zu denen er sich im Wahlkampf bisher bedeckt gehalten hat. In Jerusalem wird Romney zu einer Zeit eintreffen, da die Lage im Nachbarland Syrien immer unübersichtlicher wird und die Spannungen mit dem Iran steigen. Romney will sich bei der konservativen Basis zu Hause als Hardliner profilieren, muss aber dabei den Eindruck vermeiden, dass er Präsident Barack Obama vom Ausland aus kritisiert.

Keine Frage: Deutschland wäre ein sichereres Pflaster für Romney als Frankreich. Das Land ist für viele Konservative in den USA das Symbol für alle negativen Klischees, die sie mit Europa verbinden: ein starker Staat und liberale Sitten sowie ein Hang zum Snobismus. Ein Besuch bei Frankreichs sozialistischem Präsidenten François Hollande käme für Romney nicht infrage. Der Republikaner, der als mormonischer Missionar in Frankreich war, hat außerdem kein Interesse daran, die Aufmerksamkeit der amerikanischen Wähler auf seine Sprachkenntnisse zu lenken. Politiker, die Französisch sprechen, gelten als suspekt. Deutschland immerhin hat eine konservative Regierung, eine starke Wirtschaft und eine Kanzlerin, deren Biografie als Symbol für die Überwindung des Kalten Krieges gilt.

Ein Besuch in Deutschland hätte für den Herausforderer von US-Präsident Barack Obama dennoch eine Gratwanderung mit schwer übersehbaren Folgen bedeutet. Zum einen würde er sich dem Vergleich mit dem legendären Kandidatenauftritt 2008 aussetzen, als Obama 200.000 verzückte Deutsche vor der Siegessäule zugejubelt hatten. Zum anderen würde Romney an den Ort reisen, an dem nach amerikanischer Auffassung der Schlüssel zur Lösung der Euro-Krise liegt. Und jede seiner Äußerungen zu dieser Frage würde auf beiden Seiten des Atlantiks streng gewogen.

Den Siegessäulen-Vergleich hätte Romney noch relativ einfach umschiffen können. Was kümmert es Romney, dass die Deutschen wieder Obama wählen würden? In Umfragen in den USA sitzt er dem Präsidenten im Nacken, und die Reise soll zu Hause den Eindruck der eigenen Seriosität und Kompetenz verstärken. Romneys Berater lassen schon seit Wochen durchklingen, dass ihr Kandidat sich von Obamas Rockstar-Tour 2008 durch bescheideneres Auftreten abheben wolle. Der frühere Gouverneur und Manager Romney reise, “um zu lernen und zuzuhören”, lautet die Formel. Trotzdem hoffen sie natürlich, dass die Reise in den USA maximale Medienaufmerksamkeit findet – und die Öffentlichkeit von anderen Themen ablenkt, etwa der Frage, ob der Multimillionär seine Steuern offenlegen sollte. Insofern bleibt ein Restdilemma: Wie kann die Auslandsreise eines Präsidentschaftskandidaten etwas anderes sein als eine Inszenierung?

Beim Euro wird die Sache richtig heikel. Angela Merkels Deutschland ist ein Land, zu dem amerikanische Konservative sich hingezogen fühlen. Sie bewundern den Erfolg der deutschen Exportwirtschaft, Merkel gilt ihnen als neue Margaret Thatcher. Man darf davon ausgehen, dass das auch Romneys Sicht ist. Sein Wirtschaftsberater Glenn Hubbard verteidigte die deutsche Position in der Euro-Krise in diesem Sommer. Eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden sei der Feind einer langfristig soliden Fiskalpolitik, so Hubbard. Das Problem ist nur: Den Amerikanern, auch vielen Konservativen, ist das Hemd näher als der Rock. Sie haben Angst, dass die Euro-Krise den wackligen Aufschwung im eigenen Land gefährdet. Daher wollen sie, dass die Europäer kurzfristig alles tun, um die Märkte zu beruhigen und die Konjunktur anzukurbeln.

Der Wahlkämpfer Romney, der sich auf die Seite der deutschen Bremser stellt, liefe Gefahr, als Verräter dazustehen. Dazu kommt, dass es im Wahlkampf als unfein gilt, den Gegner außerhalb der USA zu kritisieren. Romney wirft Obama vor, er benutze die Euro-Krise, um vom eigenen wirtschaftspolitischen Versagen abzulenken. Schon Hubbards Einlassung brachte Romney den Vorwurf ein, er trage den Wahlkampf außerhalb der Landesgrenzen aus. Alles, was Romney in Berlin zum Thema Euro gesagt hätte, hätte erst recht zu Hause gegen ihn verwendet werden können.

Noch ein weiterer Punkt spricht in diesen Tagen gegen einen Zwischenstopp in Deutschland. Romneys frühere Kontakte in das Land stammen fast ausschließlich aus seiner Zeit als CEO der Investmentfirma Bain Capital. Obama nutzt Romneys Vergangenheit als Finanzinvestor seit Wochen im Wahlkampf, um den Republikaner als skrupellose Heuschrecke zu attackieren. Ein Deutschland-Besuch könnte insofern auch dem anderen wichtigen Ziel von Romneys Auslandsreise schaden: sich selbst eine Pause von diesem Thema zu gönnen.

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